RICHARD ROTHER ÜBER DIE DIGITALISIERUNG DER KINDERZIMMER
: Verantwortung vorm Rechner

Kleine Kinder haben keine Medienkompetenz, hoffentlich aber aufmerksame Eltern

Da kann sich die Industrie aber freuen: Über die Hälfte der Achtjährigen ist regelmäßig im Internet, stellt eine Studie eines Instituts der Deutschen Post AG fest. Da könne man sich die Frage, ob kleine Kinder im Netz aktiv sein sollten, gleich sparen, argumentieren die Verfasser der Studie. Ganz offensichtlich gilt: Je früher, desto besser – und desto mehr Geräte und Programme kann man verkaufen. Schließlich müssen sich Kinder früh „digitale Kompetenz“ aneignen. Was für ein Unfug!

Achtjährige Kinder haben keine „digitale Kompetenz“. Sie haben – wenn sie Glück haben – Eltern, die ihnen ein Gefühl dafür vermitteln, welche Gefahren im Internet lauern: Angst einflößende Bilder zu sehen, in Abofallen zu geraten oder gemobbt zu werden. Eltern, die ihnen sagen: Alle Informationen im Netz – auch die zweifelsohne praktischen oder didaktisch wertvollen – haben einen Absender. Wer feststellen will, ob die Information etwas taugt, muss sich über die Seriosität und das Eigeninteresse des Absenders eine Meinung bilden.

Das können Vorschul- und Grundschulkinder nicht; dafür fehlen ihnen schlicht Wissen und Bildung. Sie können beispielsweise vielleicht die Prinzipien von Werbung im Internet verstehen, aber kaum erkennen, wann etwas Werbung oder neutrale Information ist. So wie Leseanfänger nicht feststellen können, ob ein Pixiebuch eine normale Geschichte oder Schleichwerbung enthält oder ob sie aus dem Briefkasten eine seriöse Zeitung oder ein Anzeigenblatt fischen.

Wollen kleine Kinder ins Netz, brauchen sie umfassenden Schutz – durch ihre Eltern. Leider ist das häufig nicht gegeben, wie die Studie erschreckenderweise feststellt. Zugespitzt gesagt gilt: Wer Kinder unbeaufsichtigt oder ohne effektive Kindersicherungen ins Netzt lässt, handelt schlicht verantwortungslos.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8