KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

Stephanie Wurster

Die Protestaktionen, darunter die von Künstlern, Aktivisten und Akademikern initiierte Gruppe Alexandertechnik fand am Morgen statt. Am Abend spielt das Rundfunksinfonieorchester. Beim Betreten des Rohbaus schlappt mir Edward Elgars superelegischer, zu oft gesoundtrackter Pomp and circumstance-Marsch entgegen und ich habe das Gefühl, dass ich durch ein Filmset laufe. Aber eins ist klar: Das ist die Realität. Der Rohbau steht, ein Zurück wird es nicht geben. Außer natürlich: in Ausstellungen. Angefangen mit Richtfest, einem Fotozyklus über den Palast der Republik von Gerrit Engel, der in der Weissenseer Galerie Sexauer gezeigt wird. Das Wiedersehen mit dem Koloss sorgt für Freudenschauer. Was sicherlich vor allem an den großartigen, achtsamen Bildkompositionen des Architekturfotografen Engels liegt – der als einziger Fotograf während des gesamten Abrisses Zugang zum Palast hatte. Engels Fotos, viele davon aus dem Innern des in Demontage begriffenen Gebäudes, sind analog fotografiert, die Farben gedeckt – Winter, bewölkter Himmel, blasse Sommertage – und heben die matten Schattierungen, Grau, Gelb, Bronze, umso mehr heraus (bis 25. 7., Di.–Sa. 13–18, Streustr. 90).

Auch die Schweizerin Hélène Binet ist für ihre Architekturfotografien berühmt, die sie in enger Zusammenarbeit mit der A-Liga der Architekten entwickelt. Im Bauhaus-Archiv ist eine von ihr konzipierte Ausstellung zu sehen, in der Binet mit Gegenüberstellungen ihrer Bilder Dialoge aufzeigen will. Dabei konfrontiert sie Detailaufnahmen, die Ludwig Leos ikonischen Charlottenburger Umlauftank mit Fotos von John Hejduks Kreuzberg-Turm. Besonders schön sind ihre poetischen Fotos von Le Corbusiers Sakralbau La Tourette, die einem indischen astronomischen Observatorium aus dem 18. Jahrhundert gegenübergestellt werden. So gesehen wirken beide Bauwerke dermaßen zeitlos, dass ein neues Adjektiv dafür erfunden werden müsste (bis 21. 9., Mi.–Mo. 10–18, Klingelhöferstraße 14).

In das Kreuzberg der Mauerzeit und des Aktivismus kann man sich in zwei weiteren Fotografieausstellungen versetzen. Für eine gute Sicht auf die Bilder muss man sich bei beiden strecken, eventuell drängeln; beide finden in Cafés statt. Siebrand Rehbergs Kreuzbergfotografien der frühen Siebzigerjahre, die im Aufbau-Haus zu sehen sind, sind auch vor Kurzem in einem Buch erschienen. Die in der Regenbogenfabrik gezeigten Bilder zeigen einen revolutionären Stadtteil, in dem sich auch heute noch für drängende, hochpolitische Belange eingesetzt wird (bis 2. 7., Mo.–Fr. 9–20, Sa. 10–18, Prinzenstr. 86 / bis 26. 6., Mo. 13–19, Di.–Fr. 10–19, Lausitzer Str. 22).