SCHWARZFAHRER II
: Nervensägen

„Glaube ich nicht“, sagt er und droht, die Polizei zu holen

Angeblich profitiert Berlin ja von den vielen Touristen. Wer sich aber vergegenwärtigt, welche (Billig-)Jobs der Besucherboom vor allem hervorbringt, könnte durchaus ins Zweifeln kommen. Als da wären: Zimmermädchen, Kellner, Köche, Taxifahrer, Türsteher, Prostituierte, Drogenhändler, Wachschützer, Verkäufer und so weiter; allenfalls die Chefs der Dienstleistungssklaven dürften ordentlich verdienen. Kein Wunder, dass vielen Berlinern die Zumutungen durch den Tourismus langsam auf den Keks gehen. Auch solchen, von denen man das kaum dachte: Kontrollettis.

S-Bahnhof Friedrichstraße: Ein Studentenpärchen aus China, schick gekleidet, ist in Streit mit zwei türkischstämmigen Kontrolleuren geraten. In holprigem Englisch erklärt der Kontrolleur, dass die DB-Fahrkarte nicht mehr als Nahverkehrsticket gültig sei, da sie am Vortag abgestempelt worden sei. „Das wurde mir aber beim Kauf gesagt“, behauptet die Studentin. „Glaube ich nicht“, sagt er und droht, die Polizei zu holen, wenn sie die Schwarzfahrerbuße nicht zahlte.

Voller Hass schreit sie: „Ihr wollt nur unser Geld!“ Zeit, sich einzumischen, denke ich. Und sage: „Wir sind hier nicht in China, die Kontrolleure sind nicht korrupt.“ Wer beim Schwarzfahren erwischt werde, zahle eine Strafe und bekomme eine Quittung, die die Kontrolleure abrechnen müssten. „So wie diese“, sage ich und ziehe einen Beleg aus dem Portemonnaie, den ich mir Tage zuvor beim Schwarzfahren eingehandelt hatte.

Das Gezeter geht noch ein paar Minuten weiter, dann rücken sie das Geld raus. Als die Studenten weg sind, sagt der Kontrolleur zu mir: „Vielen Dank! Die Scheiß-Touris zicken immer rum und klauen uns nur die Zeit.“ Aber man dürfe sie nicht laufen lassen: „Das wäre ungerecht, denn die Deutschen müssen auch zahlen, wenn wir sie kriegen.“ RICHARD ROTHER