KURZKRITIK: ANDREAS SCHNELL ÜBER „BREMER FREIHEIT“
: Verdienst der Erinnerung

Fast überall wird dieses Jahr des 70. Geburtstags von Rainer Werner Fassbinder gedacht: Nur 37 Jahre wurde er alt und prägte doch das Theater als Schauspieler, Autor und Regisseur bis heute. Bücher und Ausstellungen erinnern dieser Tage an ihn, das Theatertreffen in Berlin widmete ihm einen Schwerpunkt – und an der Weser? Zollt nur das Bremer Amateur Theater dem Künstler Tribut, der hier zu Kurt Hübners Zeiten die Bühne revolutionierte.

In „Bremer Freiheit“ bürstet Fassbinder die Geschichte der Giftmörderin Gesche Gottfried gegen den Strich, zeigt sie als Frau, die versucht, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Regisseur Dominik Santner verortet das Geschehen im zeitlosem Wohnzimmer-Chic. Gesches erster Mann ist ein Bilderbuchmacho im fleckigen Feinripp, seine Freunde tragen T-Shirts mit Heavy-Metal-Logos. Neele Wehrkamp entwickelt ihre Gesche intensiv vom Heimchen am Herd zur selbstbewussten Frau. Nach jedem Mord singt sie: „Welt adé, ich bin dein müde“, erst leicht zittrig, dann immer forscher. Doch die Opfer kehren wieder, bevölkern die Szene, die Rebellion scheitert. Ein verdienstvoller Abend, weil er daran erinnert, dass Fassbinder mehr war, als eine Skandalfigur: ein großer Autor.

Vorstellungen: 19., 20., 27. 6. sowie 3. & 4. 7., je 20 Uhr, Lagerhaus