SCHWARZFAHRER I
: Bombenopfer

Dann heißt es urplötzlich: „Die Fahrkarten bitte!“

Kriminelle können einem das Leben schwer machen, mindestens. Das weiß jeder, der schon mal grundlos einen Faustschlag im Gesicht abbekam oder dessen Fahrrad gestohlen wurde. Aber auch den stinknormalen S-Bahn-Fahrgast im morgendlichen Berufsverkehr kann es treffen.

Auf meinem Vorortbahnhof angekommen, möchte ich mir eine Fahrkarte kaufen. Einen Schalter gibt es längst nicht mehr – und jetzt auch keinen freien Automaten. Einen hatten Kriminelle gesprengt, um ans Wechselgeld zu kommen, und vor dem anderen steht eine lange Schlange. Ich stelle mich an. Als meine S-Bahn einfährt, sind noch drei Leute vor mir. Soll ich weiter warten, die nächste S-Bahn nehmen und 20 Minuten verlieren? Der freundliche Mann hinter mir stellt sich die gleichen Fragen; mit einem kurzen Blick entscheiden wir gemeinsam, das Risiko zu wagen. Wir steigen ein. Man müsste die Kontrolleure doch irgendwie erkennen können, denken wir. Mit zitternden Knien fahren wir dem nächsten Bahnhof entgegen.

Die einsteigenden Menschen, die wir sehen können, scheinen keine Kontrolleure zu sein. Wir irren uns nicht. Glück gehabt. Eine Station später – ab hier fahren schon häufiger Verstärkerzüge – steigt mein Schwarzfahrerkumpan aus, um sich erst mal eine Fahrkarte zu kaufen. Zum Abschied winkt er. Ich fahre weiter, um zu einer Umsteigestation zu kommen.

Es kommt, wie es kommen muss. Nach der nächsten Station heißt es plötzlich: „Die Fahrkarten bitte!“ Und leider ist es kein jugendlicher Wichtigtuer, sondern ein leibhaftiger Kontrolleur, der beim schlechtesten Willen nicht zu erkennen war. Ich muss 40 Euro zahlen und bekomme einen so genannten Feststellungsbeleg, der als Fahrschein für die Weiterfahrt dient. Ein ziemlich teures Nicht-zu-spät-Kommen, denke ich. Den Stress und den Schaden brauche ich nie wieder. RICHARD ROTHER