SexarbeiterInnen gegen den „Hurenpass“

ARBEIT Huren in Frankfurt protestieren gegen die Melde- und Dokumentenpflicht für SexarbeiterInnen im kommenden Prostituiertenschutzgesetz. Sie befürchten, dass viele Frauen mit dem Gesetz nur in die Illegalität getrieben werden

„Die Frauen machen das oft nur für kürzere Zeit“

FELICITAS SCHIROW, „CAFÉ PSST“

AUS FRANKFURT ALINA LEIMBACH

Ein „Aufwerten jetzt!“-Sticker klebt auf dem Boden am Frankfurter Opernplatz. Doch an diesem Samstag geht es nicht um die ErzieherInnen. Quer aus Deutschland und dem Ausland gekommene SexarbeiterInnen und SympathisantInnen demonstrierten vor der noblen Alten Opfer gegen das geplante Prostituiertenschutzgesetz der Bundesregierung. Sie befürchten massive Repressionen und eine Abschaffung der Prostitution durch die Hintertür. Ihnen angeschlossen haben sich Datenschützer.

„Das hat mit Schutz nichts zu tun“, ruft Juanita Henning vom Verein Dona Carmen den erschienenen rund 80 AktivistInnen vom Lautsprecherwagen aus entschlossen zu. Mit dem Gesetz falle man in Zustände von vor 70 Jahren zurück, so die Organisatorin, die sich in ihrem Frankfurter Verein für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten einsetzt.

Der Gesetzentwurf zum sogenannten Prostituiertenschutzgesetz von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht unter anderem eine Meldepflicht für SexarbeiterInnen vor, verbunden mit einem speziellen Dokument, dass die Frauen und Männer stets mit sich tragen müssen. Damit sollen sie sich dann bei Polizeikontrollen als Prostituierte ausweisen können. Auch ein sogenannter Idiotentest, in dem die „Einsicht“ der Prostituierten geprüft werden soll, ist im Gespräch.

Sinn des neuen Gesetzes ist es, „die in der Prostitution Tätigen besser zu schützen, ihr Selbstbestimmungsrecht zu stärken und Kriminalität in der Prostitution wie Menschenhandel, Gewalt gegen und Ausbeutung von Prostituierten und Zuhälterei zu bekämpfen“. So will es zumindest das Eckpunktepapier zum Gesetz.

„Wir wollen keinen Hurenpass – nein, nein, nein!“, so melden sich die SexarbeiterInnen am Samstag lautstark auf der Demo in Frankfurt selbst zu Wort.

Die Frauen und Männer, die demonstrieren, wollen endlich eine Gleichstellung ihrer Arbeit mit anderen Professionen. „Kontrollgesetz, nicht Schutzgesetz“ prangt auf ihren Schildern. Kommt die Gesetzesnovelle, befürchten viele von ihnen, dass die mühsam errungene Entkriminalisierung der Prostitution aus dem Jahre 2002 grundlegend eingeschränkt und viele wieder in die Illegalität getrieben werden. „Es stellt Prostituierte unter Ausnahmerecht und degradiert sie zu Menschen zweiter Klasse“, sagt Henning.

„Die Frauen machen das oft nur für kürzere Zeit, die wollen sich nicht bei den Behörden melden, geschweige denn einen Hurenpass mit sich herumtragen“, betonte Felicitas Schirow, die Inhaberin des „Café Psst“ in Berlin. Viele hätten Angst vor den geplanten Gesetzesänderungen: „Was, wenn der Huren-Ausweis aus der Tasche fällt?“, fragt sie. Auch die Flagge der Piratenpartei wehte am Samstag. Sie und die Datenschützer Rhein-Main unterstützen das Anliegen der Frauen und Männer.

Auch Netzpolitik.org hatte auf die Problematik und Demo hingewiesen. Denn aus Sicht der Netzaktivisten ist eine Meldepflicht ein Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung. „Bei Meldepflicht und Zwangsregistrierung geht es nicht nur um die gläserne Sexarbeitende, es geht um den gläsernen Menschen“, erklärt Aktivist „Padeluun“, Gründungsvorstand des Verbandes „Digitalcourage“.

„Einmal so ein Datenleck wie jetzt im Bundeskanzleramt und dann können alle Zeitungen titeln ‚XY arbeitet als Nutte‘“, meint auch Anne Schuhmann vom „Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen“. Da man noch weit von der nötigen Normalisierung des Berufs entfernt sei, stelle dies leider noch immer ein großes Risiko dar.

Von den Passanten haben viele bis zu dem Tag noch gar nichts von den Plänen der Familienministerin gehört: „Was wollen die?“, murmeln sich ein paar Stehengebliebene zu. Ein junger Mann, der mit dem Flugblatt der SexarbeiterInnen in der Hand verweilt, sagt, er habe sich bislang zwar noch nicht intensiv mit dem Thema befasst. „Aber es gibt ja bereits eine allgemeine Ausweispflicht in Deutschland.“ Warum man dann eine Berufsgruppe dazu zwingen will, sich speziell auszuweisen, das verstehe er nicht.