DIESE WOCHE: KRACH, KATHARSIS UND KOMISCHE KLANGERZEUGER
: Schnell ins Konzert!

Andreas Schnell

Wenn Metaller lyrisch werden, geht es nicht immer um Einhörner und Elfen. Mike Williams von der Band Eye Hate God brachte vor einigen Jahren einen Band mit dem Titel „Cancer As A Social Activity“ (zu Deutsch: Krebs als soziale Aktivität) heraus, was nur jene überraschen konnte, die sich nie die Mühe machten, die Namen der Alben seiner Band zu besichtigen. Das erste hieß programmatisch „In The Name Of Suffering“ (Im Namen des Leidens) und eröffnete mit dem Song „Depress“. Williams und seine Band aus New Orleans kennen musikalisch keinen Sonnenschein – auch vor dem Hurrikan Kathrina war das schon so. Und auch wenn die direkte Übertragung lyrischer Inhalte auf echtes Leben mit Vorsicht zu betreiben ist: Der Blues, der in den monströsen Zeitlupen-Riffs des Quintetts zwischen exzessiven Gitarrenrückkopplungen und gelegentlich in Hardcore-Galopp verfallenden Songs herumlungert, ist nicht nur Attitüde. Sucht, Knast und diverse kleinere Dramen in der Bandgeschichte sind verbürgt. 2013 verstarb auch noch Schlagzeuger Joey LaCaze an Atemversagen infolge von Asthma. Aber wer Kathrina überstanden hat, lässt sich auch davon nicht kleinkriegen. Am heutigen Samstagabend ergießt sich der Endzeit-Sludge-Metal der Band ab 20 Uhr zur heilsamen Katharsis im Tower. Im Vorprogramm übrigens – irgendwie passend – die Bremer Mizanthrop.

Natürlich ist die obige Notiz zum Samstagabend nicht nur deswegen so ausführlich, weil sonst so wenig los wäre. Allerdings ist leider sonst nur wenig los. Immerhin: Am Freitag ist die wundervolle Meret Becker in der Stadt, genauer: ab 20 Uhr im Sendesaal, wo sie ihr neues Album „Deins & Done“, das erste seit 12 Jahren, vorstellt. Das changiert zwischen Blues, Country und Folk, wobei vor allem Buddy Sacher am Dobro (einer mechanisch verstärkten Gitarre) Akzente setzt, während Becker nicht nur singende Säge und Melodica spielt, sondern sich auch an Gitarre und Klavier begleitet. Für die, die nicht am Freitag schon beim Hurricane-Festival in Scheeßel sind, könnte es sich lohnen, hier zu reservieren.

Sollten Sie nicht mehr hineinkommen, könnten Sie statt des Dobros die Autoharp kennenlernen, noch so ein ganz besonderes Instrument aus der Americana-Asservatenkammer: Gelegentlich despektierlich Idioten-Zither genannt, brachte die Autoharp einige Virtuosen und Virtuosinnen hervor wie Sara und Maybelle Carter von der Carter Family, so etwas wie die Royal Family der Country-Musik. Zuletzt war es PJ Harvey, die sich für ihr Album „Let England Shake“ den schimmernden Glockenklang des Instruments anverwandte, das an eine Zither erinnert, aber über Tasten verfügt, mit denen sich per Knopfdruck ganze Akkorde spielen lassen. Zu den wenigen heimischen Autoharpisten zählt Alexandre Zindel, der am kommenden Freitag in der DKV-Residenz „Autoharp Music“ vorträgt.