Zahl der Dschihadisten verdreifacht

BERICHT Hamburger Verfassungsschutz registriert mehr Salafisten und Spaltung der „Antiimps“

Links gibt es eine „neue Militanzdebatte mit neuer Qualität“

TORSTEN VOSS, VERFASSUNGSSCHUTZ

Früher hat Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) in dschihadistischer Gewalt eine „abstrakte Gefahr“ gesehen. Seit den Anschlägen von Paris und Kopenhagen ist das anders: Die Gefahr sei näher gerückt, sagte er bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2014. In diesem Jahr sei die Zahl der Dschihadisten an der Elbe von 70 auf 240 angestiegen, das salafistische Spektrum sei auf 400 Personen angewachsen. Daher konzentriere sich der Verfassungsschutz inzwischen besonders um diese Szene.

Der Chef des Verfassungsschutzes (VS), Torsten Voß, erklärt sich den Anstieg der Zahlen auch damit, dass die Geheimdienstler verstärkt im Internet auf radikale Islamisten lauern. Der Inlandsgeheimdienst sei verstärkt dazu übergegangen, salafistische „Rattenfänger“ an den Pranger zu stellen – etwa den radikalen Prediger Pierre Vogel, der sein Domizil an der Elbe aufschlagen wollte. „Der Herr hat unsere Stadt wieder verlassen“, sagte Voss. Auch Baher Ibrahims Missionierungsabsichten seien gescheitert und eine Salafisten-Veranstaltung im März 2015 habe aufgrund von VS-Infos von der Polizei verboten werden können – was gerichtlich in zwei Instanzen Bestand gehabt habe.

Aufgrund von Informationen des VS hätten andere Behörden gegen 16 Menschen Ausreiseverbote durchgesetzt. Durch direkte Aufklärung des Geheimdienstes seien mehr als 16 Personen an der Ausreise gehindert worden. Insgesamt hätten aber doch 50 Dschihadisten Hamburg Richtung Syrien verlassen.

In der linken Szene verbuchte der VS mit 1.100 Personen konstante Zahlen, jedoch eine „neue Militanzdebatte mit neuer Qualität“. So gebe es in der anitiimperialistischen Szene (Antiimp) bei Debatten eine Rhetorik, die den grundsätzlichen Konsens, Gewalt gegen Polizisten sei nur zur Selbstverteidigung erlaubt, auflösen könnte, sagte Voß.

Deshalb werfe der VS einen Blick auf die Antiimp-Szene, wo sich laut Voss die militantere „Rote Szene Hamburg“ (RSH) und das „Internationale Zentrum“ („B5“) gespalten haben. Das habe zu zwei „revolutionären 1.-Mai-Demos“ geführt und dazu, dass „nun zwei Orte beobachtet werden müssen“, wie es Voß formulierte.  PEMÜ

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