Schlag mit dem Rohrstock

SONDERPÄDAGOGIK Elternvertreter kritisieren das Senatskonzept für die Inklusive Schule als mangelhaft. Nun haben sie ein eigenes Forderungspapier vorgelegt – und hoffen auf den nahenden Wahlkampf

■ LES-Förderbedarf: Soll weiterhin als solcher festgestellt werden können. Allerdings will man den Prozess „entbürokratisieren“.

■ Zuweisungen von Stunden: Sollen nicht pauschal erfolgen. Stattdessen will man die Schulen „bedarfsgerecht“ je nach Anzahl der LES-Kinder mit Sonderpädagogen ausstatten.

■ Sonderpädagogische Förderzentren will man „flächendeckend“ erhalten. Die Eltern sollen wählen können zwischen Regelschule oder Förderschule.

■ Die Förderstunden sollen pro Woche von 2,5 auf 3,5 (Klassen 3 bis 10) und von 4 auf 5 Stunden in der Schulanfangsphase erhöht werden. (akl)

Es war wie ein Schlag mit dem Rohrstock für den Senat, als sich der Landeselternauschuss (LEA), Berlins oberstes Elterngremium, Ende 2014 aus dem Fachbeirat Inklusive Schule zurückzog. Den nächsten Schlag setzte es am Donnerstag: Die AG Inklusion, an der sowohl der LEA wie auch Bezirkselternausschüsse beteiligt sind, stellte ein eigenes Papier zur Inklusiven Schule vor.

Eine Kernforderung: Der Bedarf für den Förderbereich Lernen, emotionale Entwicklung, Sprache (LES) – er macht 75 Prozent des sonderpädagogischen Förderbedarfs aus – soll weiterhin individuell bei jedem Schüler festgestellt werden. Der Senat will das nicht. Das Argument: Vor der Inklusion sind alle gleich. Alle lernen gemeinsam, jeder wird individuell gefördert. „Lernbegleitende Diagnostik“, nennt sich das im Senatskonzept.

„Unsere Forderung mag im Vergleich reaktionär daherkommen“, sagte AG Inklusion-Sprecher Günter Peiritsch am Donnerstag. Aber was dem Senat vorschwebe, könnten die Schulen derzeit nicht leisten – es mangle schlichtweg an Personal.

Die AG Inklusion fordert zudem eine individuelle Stundenzuweisung für jede Schule, je nach festgestelltem LES-Förderbedarf der Kinder – während der Senat eine Pauschale favorisiert. Die soll wiederum abhängig von der „sozialen Zusammensetzung“ der Schülerschaft sein. Je ärmer die Schülerschaft, desto höher der Bedarf an Förderstunden – so die Logik.

„Dadurch spart der Senat nach unseren Berechnungen bis zu 20 Prozent an Fördermitteln ein“, sagt Günter Peiritsch. Zudem sei es diskriminierend, sozial benachteiligten Schülern automatisch auch einen LES-Förderbedarf zuzusprechen.

Der Senat hält dagegen: Zum einen bedeute die Pauschale keine Einsparung. Auch sei noch nicht klar, ob man etwa von der Zahl der büchergeldbefreiten Kinder auf den LES-Förderbedarf an einer Schule schließen könne, so eine Sprecherin von Senatorin Sandra Scheeres (SPD).

Kritik kam am Donnerstag auch von der Opposition: „Ich vermisse, wie auch beim Senatspapier, einen konkreten Zeit- und Maßnahmenplan“, so die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Stefanie Remlinger.

Peiritsch hofft nun auf einen „echten Dialog“ mit dem Senat. Könnte klappen: Fünf Bezirkselternausschüsse haben das Papier bereits mitgezeichnet – und der Wahlkampf für 2016 naht: „Das sind Wahlkreise, die sich da auftun.“ ANNA KLÖPPER