Ödnis vor der Leinwand

PUBLIC VIEWING Frauenfußballgucken in Gemeinschaft? Das ist derzeit noch kein Vergnügen

BERLIN taz | Als ein Topspiel entpuppt sich die Partie der Schwedinnen gegen Nigeria. Die Afrikanerinnen wehren sich gegen den Favoriten, holen einen Zwei-Tore-Rückstand auf und erzielen kurz vor Schluss den Ausgleich zum 3:3. Diese packenden Szenen laufen über eine große Leinwand in der FC-Magnet-Bar. Nur gesehen hat das hier niemand. Die Suche nach einer stimmungsvollen Public-Viewing-Location zu Spielen der Frauen-WM ist schwierig.

Judith Berganski sitzt an der FC-Magnet-Bar. Die Leinwand, auf der nebenher das Spiel läuft, fasziniert sie nicht so richtig. „Ich schaue gerne Fußball, aber kein Frauenfußball“, sagt die junge Frau. Dieser sei zu langsam, es gebe zu viele Räume. „Ich finde Fankultur total spannend“, betont Berganski. „Ich bin Fußball-Romantiker, schaue mir auch Kreisliga-Spiele an“, sagt sie. Aber diesen Flair finde sie im Frauenfußball nicht. Vielleicht liegt es auch an der Begegnung. „Zum Deutschland-Spiel waren zehn Leute da. Die haben dann auch nach weiteren Übertragungen gefragt“, erzählt ein Mitarbeiter der Magnet-Bar. Natürlich nur nach Spielen der Deutschen. „Wir zeigen aber jedes Spiel. Nur nicht um zwei Uhr nachts“, erklärt er.

Vereinzelt kommen Leute in die Bar. „Was läuft da?“ – „Frauen-WM.“ – „Ah, habe ich gar nicht mitbekommen.“ Wo das Spiel aber schon mal läuft, sinnieren die Besucher der Bar über Möglichkeiten. „Das Feld sollte kleiner sein, dann passiert mehr“, sagt einer. Berganski hat andere Lösungsansätze: „Es krankt am Vergleich. Der Frauenfußball leidet darunter, dass er Männerfußball imitieren möchte.“ Um populärer zu werden, müsse der Frauenfußball eigene Wege gehen. Berganski gibt zu, heute nicht wegen des Spiels in der Bar zu sein. Sie wollte Leute treffen. Auch zukünftige Spiele der WM werde sie eher zufällig oder nebenher anschauen. „Wobei es eigentlich mal ein cooles Projekt wäre, sich die ganze Frauen-WM anzuschauen.“ Aber letztlich würde sie andere Freizeitaktivitäten dann doch vorziehen.

Das Café Rizz in Kreuzberg überträgt viele Spiele der WM und gilt im Bezirk als Treffpunkt vieler Fans. Vorsichtig stellt sich die Bedienung neben die Leinwand, über die gerade die Sonntagabend-Talkshow von Günther Jauch flimmert. „Ich schalte dann jetzt um auf die Frauen-WM.“ Die Ansage wird im Raum als Warnung verstanden. Von den 20 Gästen, die sich zuvor den „Tatort“ und den Anfang der Jauch-Sendung angesehen haben, suchen die meisten zielsicher den Ausgang. Übrig bleiben fünf Frauen – wie klischeehaft. Beim ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft im Turnier gibt es zehn Tore zu bestaunen. Während diese nach und nach fallen, rätseln die fünf anwesenden Fans im Café Rizz: „Wer ist nochmal deutscher Meister? Bayern, oder? Aber Pokalsieger sind die Wolfsburger.“ Eine Zuschauerin wechselt angesichts der deutlichen Dominanz der Deutschen während des Spiels gar die Seiten. „Ahh, schade“, ruft sie, als die Ivorerinnen ein irreguläres Tor erzielen. Dabei ist Ilse Coordes eigentlich für die DFB-Elf. Das Public Viewing im Rizz hat sie im Internet gefunden. „In der Gemeinschaft Fußball zu schauen, finde ich toll“, sagt sie. Die Abendspiele werde sie sich immer anschauen. „Vor allem die Favoriten aus Schweden, den USA und natürlich Deutschland interessieren mich.“ Da seien ihr Spiele um 22 Uhr nicht zu spät.

„Wären die Spiele früher am Abend, hätten vielleicht auch die Männer mal ’ne Halbzeit angeschaut“, gibt Coordes zu bedenken. „Das sind doofe Anpfiffzeiten“, findet auch die Restaurantleiterin des Rizz, Birgit Huster. Ebenso „doof“ sei es aber auch, wenn Deutschland „haushoch gewinnt“, da fehle eben die Spannung. Die Übertragungen will Huster trotzdem kräftig bewerben. SEBASTIAN RAVIOL