Verdient der griechische Rentner zu viel?

ALTER Der Staatsanteil an der Rentenfinanzierung ist hoch – die Renten sind es nicht. Dafür winkt ein früher Abschied von der Arbeit

ATHEN taz | In der jüngsten Parlamentsdebatte zur Sparpolitik erklärte Ministerpräsident Alexis Tsipras, seit Ausbruch der Schuldenkrise seien die Pensionen um bis zu 48 Prozent gekürzt worden – damit lebte jeder zweite Rentner in Griechenland unter der Armutsgrenze. Eine Rentenreform zählt aber zu den Kernforderungen der Geldgeber gegenüber Athen. Wie also geht es den griechischen Rentnern?

Insgesamt 2.637.090 Rentner gibt es derzeit in Hellas. Arbeitsminister Dimitris Stratoulis erklärte, 60 Prozent von ihnen bekämen weniger als 700 Euro im Monat. Besonders dürftig fallen Berufsunfähigkeitsrenten aus, die derzeit zwischen 250 und 540 Euro liegen. Dennoch gibt Griechenland immer noch 17,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Altersgelder aus – deutlich mehr als der europäische Durchschnitt von 13,5 Prozent.

Allerdings basiert diese Statistik auf Daten von 2012. Regierungsvertreter weisen darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung seit 2008 krisenbedingt um über 25 Prozent geschrumpft ist und allein aufgrund solcher statistischen Effekte der staatliche Rentenanteil gestiegen sein dürfte.

Für Irritationen sorgen in Hellas deutsche Medienberichte, nach denen griechische Rentner im Durchschnitt etwa 960 Euro im Monat bekämen und damit ähnlich wohlhabend seien wie ihre Altersgenossen in Deutschland, wo der Durchschnitt für 2014 neu verrentete Männer bei 975 Euro liegt. „Das kann wohl nicht wahr sein, diese Berichte verdrehen die Realität“, klagt Jorgos, ein 77-jähriger Rentner aus Athen. Er sagt aber auch: „Vielleicht kommen die Deutschen nur deshalb zu diesem Ergebnis, weil sie bei griechischen Pensionären die sogenannten Hilfsrenten dazu rechnen. Aber dann würde man Äpfel mit Birnen vergleichen, denn, anders als die Hauptrente, sind diese Altersgelder keine staatliche Leistung.“

Da der Staat größter Arbeitgeber in Griechenland ist, nehmen wir mal einen Beamten als Beispiel: Wer mit 25 in den Staatsdienst aufgenommen wird und 35 Jahre ununterbrochen arbeitet, hat nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht mit 60 in den Ruhestand zu gehen – womit wir bei der aktuellen Debatte über die Anhebung des Pensionsalters wären, die die Geldgeber verlangen. Männliche Deutsche gehen im Vergleich mit 64 Jahren deutlich später in Rente. Die Höhe der griechischen Altersbezüge hängt von mehreren Faktoren ab, nicht zuletzt vom Familien- und Bildungsstand. Jedenfalls wäre ein Monatseinkommen von etwa 900 Euro in seinem Fall durchaus realistisch. Dazu gehört aber auch die sogenannte Hilfsrente, die der Beamte nicht von seinem Dienstherrn, sondern von einer Kasse oder Berufskammer erhält, weil er dafür 35 Jahre lang zusätzliche Beiträge eingezahlt hat. Falls etwa unser Mann Ingenieur ist, hat er in der Regel auch Beiträge als Mitglied der Ingenieurkammer eingezahlt, woraus sich heute eine Zusatzrente in Höhe von bis zu 200 Euro speist.

JANNIS PAPADIMITRIOU