TTIP-Kritiker: Jetzt erst recht protestieren

FOLGEN Die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP will jetzt Druck auf die SPD in Berlin machen, damit die den Konzernen keine Sonderrechte einräumt

„Ein Weiter-so kann es bei den Verhandlungen nicht geben“

ERNST-CHRISTOPH STOLPER, STOPP TTIP

BERLIN taz | Ein riesiger aufblasbarer Kampfhund tauchte am Mittwoch vor dem Straßburger EU-Parlament auf – unter der Parole: „TTIP an die Kette legen“. Zwar konnten die Europaabgeordneten an diesem Tag nicht, wie ursprünglich geplant, über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA diskutieren und abstimmen. Aber die TTIP-Kritiker wollten ihnen den Anblick des vier Meter hohen hässlichen grauen Köters nicht ersparen – und jetzt erst recht ihre Forderungen präsentieren.

Der Eklat um die geplatzte TTIP-Debatte gibt den Kritikern des Abkommens Rückenwind: „Der Druck der Bürger und Bürgerinnen gegen TTIP ist im Europaparlament angekommen“, sagte Ernst-Christoph Stolper, Sprecher der Selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative „Stopp TTIP“. „Besser als eine aufgeschobene Abstimmung wäre die Ablehnung von TTIP gewesen“, sagt er. Der ehemalige grüne Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium verlangt von der EU-Kommission, Konsequenzen aus dem Streit zu ziehen: „Ein Weiter-so kann es bei den Verhandlungen nicht geben.“

Die Bürgerinitiative hat seit dem vergangenen Oktober mehr als 2,1 Millionen Unterschriften gegen TTIP gesammelt. Europaweit haben sich dem Protest mehr als 500 Organisationen angeschlossen.

Angeschoben wurde die Kampagne von Deutschland aus, unter anderem von Attac, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Campact, dem Umweltinstitut München. „Stopp TTIP“ hat von der EU-Kommission – aus formalen Gründen – nicht den offiziellen Status einer „Europäischen Bürgerinitiative“ zuerkannt bekommen. Gegen die Entscheidung läuft einen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Wäre die Kampagne offiziell anerkannt, hätte die Kommission für sie eine Webseite einrichten sowie eine Stellungsnahme zu ihrem Anliegen abgeben müssen. Außerdem müsste es eine Anhörung im Europäischen Parlament geben.

Die fehlende offizielle Anerkennung hat „Stopp TTIP“ allerdings eher beflügelt als ihr geschadet: Europaweit ist eine breite Protestbewegung entstanden. In Gewerkschaften, Jugendgruppen, Organisationen und Parteien diskutieren Zehntausende über das Thema Handelsabkommen. Im Zentrum der Kritik stehen die geplanten privaten Schiedsgerichte, die auch im Europaparlament auf Ablehnung stoßen.

Die Sammlung der Unterschriften für die Bürgerinitiative läuft bis Oktober. „Wir müssen jetzt Druck machen, damit sich in Deutschland die SPD nicht erlauben kann, für Sonderrechte für Konzerne zu stimmen“, sagte Karl Bär vom Umweltinstitut München.

Die Kampagne ist nicht nur gegen Schiedsgerichte, sondern gegen viele weitere Punkte. Dazu gehört die Einrichtung eines überstaatlichen Ausschusses, der alle Gesetze auf Vereinbarkeit mit dem Handelsabkommen prüfen soll, und die Liberalisierung im Dienstleistungsbereich, die die Rekommunalisierung von Kliniken und Wasserwerken verhindern würde.

ANJA KRÜGER