Ein Kopftuch in der Rechtsabteilung

NEUKÖLLN Muslimische Nachwuchsjuristin darf im Bezirksamt arbeiten – aber nur eingeschränkt

Dienstag, 12.30 Uhr: Im Rathaus Neukölln findet eine spontane Pressekonferenz statt. Bezirksbürgermeisterin Franziska Gif-fey (SPD) tritt vor die Kameras. Anlass: der Fall Betül Ulusoy.

Ulusoy, eine Nachwuchsjuristin und Bloggerin, hatte telefonisch angefragt, ob sie einen Teil ihres Referendariats in der Rechtsabteilung des Bezirksamts absolvieren könne. Nach einem Vorstellungsgespräch war ihr mitgeteilt worden, dass man zunächst ihre Einsatzmöglichkeiten prüfen müsse.

Ulusoy machte den Fall publik. Ihre Kritik am Bezirksamt: Die Arbeit in der Rechtsabteilung sei Teil ihrer juristischen Ausbildung; wenn sie die Stelle nicht antreten könne, käme das einem Berufsverbot gleich.

Am Dienstagmorgen beriet das fünfköpfige Bezirksratskollegium über den Fall. Das Ergebnis: Ulusoy darf die Stelle antreten. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie keine „hoheitlichen Aufgaben mit Außenwirkung“ ausübt. Das bedeutet Bezirksbürgermeisterin Giffey zufolge: „Interne Aufgaben können von Ulusoy übernommen werden. Sie darf den Bezirk aber nicht vor Gericht vertreten.“

Damit folgte das Bezirksamt der Linie des Kammergerichts Berlin, das während der Zeit des Referendariats Ulusoys Dienstbehörde ist. Dieses gestattet ReferendarInnen das Tragen religiöser Symbole. Allerdings nur, wenn sie den BürgerInnen nicht in Ausübung staatlicher Funktionen gegenübertreten.

Neutralitätsgesetz

Das Berliner Neutralitätsgesetz erlaubt solche Ausnahmen auch bei PraktikantInnen oder nicht hoheitlich tätigen RechtsbeamtInnen. BeamtInnen im Justizvollzug oder bei der Polizei sowie Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag dürfen hingegen keine religiösen Symbole tragen.

Nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil, das ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen für nicht verfassungskonform erklärte, ist jedoch fraglich, ob das Gesetz so bestehen bleiben kann. Bis Redaktionsschluss war nicht bekannt, ob Ulusoy die Stelle im Bezirksamt nun auch antreten möchte. IDE