Eine irische Absurdität

IRLAND Amnesty International prangert das restriktive Abtreibungsgesetz an. Es sei eine Gefahr für die Frauen

„Das Gesetz ist in einzelnen Fällen mit Folter gleichzusetzen“

Sara Fremberg, ai-Sprecherin

VON MICHELLE TRIMBORN

BERLIN taz | 14 Jahre Gefängnis drohen in Irland jedem und jeder, der oder die sich aktiv an einer Abtreibung beteiligt. Das gilt auch nach dem neuen Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch aus dem Jahre 2014. Abbrüche sind nach wie vor nur erlaubt, wenn das Leben der Mutter akut gefährdet ist, bei Krankheit oder falls ein Suizid droht. Andere Gründe für die Genehmigung einer Abtreibung, etwa nach einer Vergewaltigung, sieht das Gesetz nicht vor. Laut einem Bericht von Amnesty International (ai) ist dieses Gesetz ein Verstoß gegen die Menschenrechte.

Es bringe Schwangere in große Gefahr. Diese müssten Abbrüche „illegal und unsachgemäß“ in Irland durchführen oder ins Ausland reisen. „Bereits die Tatsache, dass man Frauen und Mädchen in kritischem Gesundheitszustand keine andere Wahl lässt, als das Land zu verlassen, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, ist nicht nur diskriminierend, sondern unverantwortlich und in einzelnen Fällen mit Folter gleichzusetzen“, sagt Sara Fremberg, Sprecherin von Amnesty Deutschland. Das irische Abtreibungsgesetz wurde reformiert, nachdem 2012 eine junge Inderin gestorben war, der eine Abtreibung verweigert wurde. Amnesty beklagt jedoch, dass eine Abtreibung auch abgelehnt werde, wenn sie legal sei.

Die Gesetzesvorgaben für Ärzte seien ungenau, die Angst vor einer Bestrafung sei groß. Ein Leitfaden zur Umsetzung des Gesetzes schränkt nach Aussagen von Medizinern die Rechte der Frau weiter ein: Die Empfehlungen ließen die Lage der Mutter unberücksichtigt. Die Prozedur der Untersuchung von bis zu fünf verschiedenen Ärzten sei nicht nur extrem langwierig, sondern auch erniedrigend.

Selbst wenn die Gesetzeslage für eine Abtreibung spricht, kämen Frauen nicht zu ihrem Recht. Trotz akuter Selbstmordgefahr wurde so einer Asylsuchenden der Abbruch der Schwangerschaft verweigert, nachdem sie in ihrer Heimat vergewaltigt wurde. Ärzte wie Dr. Peter Boylan, ehemaliger Leiter des National Maternity Hospital in Dublin, kritisieren die Lage: „Wir müssen warten, bis Frauen krank genug sind, damit wir eingreifen können.“ Allein die Lebensgefahr entscheidet über die Legalität der Abtreibung.

Täglich reisen mehr als zehn Frauen aus Irland ins Ausland, um dort die Behandlung vornehmen zu lassen. Wer jedoch nicht das nötige Geld hat, greift auf gefährlichere Methoden zurück: Aus Verzweiflung fügten Frauen sich physische Gewalt zu oder vergifteten sich mit Medikamenten und Alkohol. Andere treibe die Schwangerschaft sogar in den Freitod. „Irland muss endlich eine Gesetzgebung schaffen, die es Frauen ermöglicht, legal eine Schwangerschaft abbrechen zu lassen, insbesondere wenn sie eine Gefahr für ihre Gesundheit darstellt oder die Folge einer Vergewaltigung ist“, fordert Amnesty-Sprecherin Fremberg.

Nicht nur die Abtreibung, bereits die Aufklärung Schwangerer, ist strafbar. Es besteht hingegen die Pflicht, Frauen auf andere Möglichkeiten wie eine Adoption hinzuweisen. „Frauen werden immer Abtreibungen benötigen, auch in Irland“, so Niall Behan, Geschäftsführer der Beratungsstelle Irish Family Planning Association. Behan fordert den Staat darum zum Handeln auf. „Entkriminalisierung ist der einzige Weg zu einer Lösung. Dies kann nur durch eine Reform der Verfassung erreicht werden.“ Zwar habe sich die Einstellung der Öffentlichkeit sehr verändert, doch sei dies in der Politik noch nicht angekommen.