: Nach uns die Touristen
KUBANISCHES GOLD Ein letztes Mal noch gehen Eliades Ochoa und Omara Portuondo als „Buena Vista Social Club“ auf Tournee. Eine Begegnung mit den beiden Legenden
VON DANIEL BAX
Wie immer trägt Eliades Ochoa sein Erkennungszeichen, einen schwarzen Cowboyhut, dazu ein schwarzes Hemd und eine Armbanduhr mit kubanischer Fahne – „die hat mit ein Freund aus New York geschenkt“. Versonnen blättert er durch das Booklet der neuen CD des „Buena Vista Social Club“ und betrachtet die Fotos aus den glorreichen Tagen. All die verstorbenen Freunde sind darauf zu sehen. Fast nur noch sie beide sind von der alten Garde übrig geblieben: Er, der Gitarrist Eliades Ochoa, und sie, die Sängerin Omara Portuondo.
Zur Jahrtausendwende war ihre Musik überall, der kubanische Son alter Schule. Nun sind beide in Berlin, um ihr Abschiedsalbum „Lost and Found“ vorzustellen. An Berlin hat Omara Portuondo, die mit Sonnenbrille und Turnschuhen ihre 84 Jahre fast vergessen lässt, nur gute Erinnerungen: Schon zu DDR-Zeiten ist sie hier aufgetreten. Sie spricht sogar noch ein paar Wörter Deutsch und trällert die Zeilen eines Schlagers, „Wunderbar“.
Schon vor dem Buena Vista Social Club war Portuondo ein Star. „Ich kam ja erst später dazu, weil sie noch eine Frauenstimme brauchten. Zufällig war ich gerade zu Aufnahmen im gleichen Haus“, erinnert sie sich. In den fünfziger Jahren stand sie regelmäßig im Tropicana-Varieté von Havanna auf der Bühne, wo Stars aus den USA wie Nat King Cole und Carmen Miranda gastierten. Sie hat die große Ära des afrokubanischen Jazz mit ihrem Mambo, Bolero, Cha Cha Cha und Big-Band-Sound mitgeprägt, im letzten Jahr ist ihr Debütalbum aus dem Jahr 1958 „Magia Negra“ wieder erschienen. Ihre Schwester, mit der sie damals ein Quartett bildete, setzte sich nach der Revolution von 1959 ins Ausland ab, konnte dort aber nicht Fuß fassen. „Ein unangenehmes Kapitel“, sagt Omara Portuondo, „es ging ihr dort nicht gut.“ Heute lebt die Schwester in Miami, die beiden sehen sich ab und zu.
Omara dagegen erlebte mit dem Buena Vista einen zweiten Frühling. „Der Kontakt mit dem Publikum ist etwas Wunderbares“, schwärmt sie von ihren Auftritten. „Du weißt nie, was passiert. Aber wenn du es schaffst, dass deine Liebe erwidert wird, wenn alle Leute die Musik genießen oder tanzen, dann ist das wie eine Liebesbeziehung.“ Auch Eilades Ochoa ist voll des Lobes: „Jeder hat das Beste gegeben – um der Welt zu zeigen, wie kubanische Musik klingt.“ Jetzt geht es noch einmal, in Restbesetzung, auf kleine Welttournee. Doch im Dezember ist dann endgültig Schluss mit dem kleinen Buena-Vista-Comeback.
Auch Eliades Ochoa ist es wichtig zu betonen, dass sein Leben nicht nur aus den Buena-Vista-Jahren besteht. „Für mich war es ein Album mehr in meiner Karriere“, sagt er gänzlich unsentimental. Es war „eine einzigartige Erfahrung. Aber ich hatte daneben immer schon meine eigenen Projekte am Laufen“ – zum Beispiel mit Charlie Musslewhite oder Los Lobos. Als Nächstes steht ein neues Album mit dem Cuarteto Patria an, seiner Band, mit der er die bäuerliche Musik aus den kubanischen Bergen pflegt. Bis heute pendelt Ochoa zwischen seiner Geburtsstadt Santiago und Havanna hin und her. „Ich bin der gleiche Eliades wie eh und je“, betont er. „Wenn ich auf der Straße bin, habe ich keine Starallüren.“
Verändert hat sich durch den Buena-Vista-Erfolg dagegen die Musikszene auf Kuba, er hat die Gewichte verschoben. Alle Orchester orientierten sich fortan am Erfolgsmodell, und an jeder Ecke war plötzlich „Chan Chan“ zu hören. Sogar die HipHop-Szene kam nicht mehr daran vorbei. Eliades Ochoa gefällt die „Chan Chan“-Adaption der Orishas: „Sehr gut, sehr professionell“, lobt er die Rap-Version.
Der Buena-Vista-Hype hat auch den Tourismus angekurbelt. Durch die Öffnung zu den USA wird es einen weiteren Schub geben, davon ist Eliades Ochoa überzeugt. „Das wird die Musiker motivieren, sich anzustrengen, um den Touristen zu gefallen“, glaubt er. Omara Portuondo ist da etwas skeptischer. „Hoffentlich bringt es uns Gutes“, sagt sie vorsichtig, wagt aber keine Prognose: „Ich bin keine Wahrsagerin, die in die Kristallkugel blicken kann.“
Nach dem Gespräch setzt sich der Arzt der beiden an den Tisch. Seit 1998 begleitet er die Musiker auf ihren Tourneen – „zur Prävention, wie beim Fußball“, wie er betont. „Wenn der Auftritt naht, steigt auch das Adrenalin“, sagt er. Auch die Rolling Stones hätten immer medizinische Hilfe dabei. Sorgen müssen man sich aber keine machen, Kubaner hätten die höchste Lebenserwartung in ganz Lateinamerika. Der Grund? „Die Gene, das Klima – und die Musik, natürlich.“
■ Buena Vista Social Club: „Lost & Found“ (World Circuit)
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