Der gute Muslim

ISLAM-POP Der Brite Sami Yusuf stieg mit frommen Balladen zum Weltstar auf. Nicht nur Millionen Kopftuchmädchen von Afrika bis Asien schwärmen für ihn

VON DANIEL BAX

Wenn Sami Yusuf in den nächsten Wochen nach Deutschland kommt, dann wird er in kleineren Konzertsälen gastieren als er es gewohnt ist. Der 34-jährige Musiker, in Teheran geboren und in London aufgewachsen, ist schon im Wembley-Stadion aufgetreten, in großen Arenen von Kapstadt bis Kazan und vor einer Viertelmillion Menschen auf dem Taksim-Platz in Istanbul. Den „größten Rockstar des Islam“ nannte ihn das Time-Magazin einmal.

Sami Yusuf mag dieses Label nicht. „Ich möchte kein Popstar sein“, betont er am Telefon aus Katar, wo er seinen zweiten Wohnsitz hat. Und er verweist darauf, dass er im Westen zumindest unter Nichtmuslimen so gut wie unbekannt ist. „Ich bin zu brav und zu normal, um auf MTV zu laufen“, wiegelt er ab. Wobei er diese Unkenntnis auch darauf zurückführt, dass westliche Medien mit Muslimen wie ihm so ihre Schwierigkeiten hätten.

Tatsächlich ist Sami Yusuf ein unwahrscheinlicher Popstar. Sein Debütalbum „Al Muallim“ („Der Lehrer“) von 2003 produzierte er noch selbst, da war er 23 Jahre alt, und seine Mutter machte im Wohnzimmer die Fotos fürs Cover. Mit seinem frömmelnden Balladen und seiner eigenwilligen Mischung aus moralischer Botschaft und Pop-Appeal traf er einen Nerv. Das Album verkaufte sich mehrere Millionen Male, insbesondere in der Türkei und Ägypten. Seither ist Sami Yusuf ein Idol und eine Identifikationsfigur für junge Muslime von Südafrika bis Pakistan, die ihren Glauben im Einklang mit der Moderne leben.

Seine Hits heißen „Hasbi Rabbi“ („Mein Gott genügt mir“) und „I’m your hope“, und seine Alben tragen Titel wie „My Ummah“, „Salaam“ oder, zuletzt, „The Circle“. „Nasheed“ heißt der leicht leiernde, religiöse Gesangsstil, den Sami Yusuf mit Instrumenten und eingängigen Melodien zum flotten Erbauungspop aufpeppt. Er propagiert „islamische“ Werte wie Rücksichtnahme, Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft und engagiert sich für humanitäre Zwecke, er tritt für Erdbebenopfer in Haiti oder die Welthungerhilfe der UNO auf. Auch sein Konzert in Essen dient der Benefizaktion einer muslimischen Hilfsorganisation.

Für einen iranischen Film über das Leben des Propheten Muhammed hat er mit dem indischen Bollywood-Filmkomponisten AR Rahman, in Südasien ebenfalls ein Superstar, einen Song aufgenommen. Und für die „interreligiöse Woche“ der UN veröffentlichte er kürzlich den Song „The Gift of Love“, der gregorianische Mönchsgesänge mit Sami Yusufs Solo-Stimme zu einem dramatischen Crescendo verschmilzt. Im Weichzeichner-Videoclip, der an Orten wie dem Felsendom in Jerusalem und der Felsenstadt Petra in Jordanien gefilmt wurde, sieht man Buddhisten, Christen und Muslime beim Gebet. „Die Liebe ist der Kern aller Religionen. Das wollte ich unterstreichen“, betont Sami Yusuf. So arbeitet er unermüdlich daran, seinen Glauben ins rechte Licht zu rücken.

Seine demonstrative Demut wirkt dabei nicht gänzlich uneitel, und man kann seine Lieder kitschig und seicht finden, aber sie sind ausgesprochen gut gemacht. Denn Sami Yusuf ist ein Vollblut-Musiker: er hat in London auf dem Konservatorium studiert und sich als Produzent für persische Musiker betätigt, bevor er selbst zu singen begann. Schon sein Vater war ein bekannter persischer Komponist. Seine Botschaft ist universell, seine Musik international, verpackt afghanische oder aserbeidschanische Volksweisen geschickt in gefällige Arrangements. Manche Stücke bringt er in mehreren Versionen heraus, je nach Zielgruppe auf Englisch, Türkisch und Arabisch.

Seine Kritiker stören sich daran, dass er zu seinem Gesang auch Instrumente wie Geige und arabische Oud-Laute einsetzt und dass auf seinen Konzerten nicht nur Kopftuchmädchen in unziemlichen Jubel ausbrechen. An Sami Yusuf perlt das ab. Aber dass die IS-Milizen diesen religiösen Nasheed-Gesang für ihre Propagandalieder missbrauchen, macht ihn wütend. „Diese Leute sind krank. Aber ich sehe nicht ein, warum ich mich für sie entschuldigen soll“, ärgert er sich. „Es gibt auch buddhistischen Terror in Myanmar oder christliche Terrorgruppen in Afrika. Warum ist das im Westen kein vergleichbares Thema?“

■ Benefiz-Konzert am 31. 5. in Essen