LESERINNENBRIEFE
:

Das ist Folter

■ betr.: „Polizeigewalt. ‚War witzig. Gequiekt wie ein Schwein‘“, taz vom 19. 5. 15

Das, was in Hannover passiert ist, ist nach der UN-Antifolterkonvention Folter.

Dort heißt es: Unter Folter versteht man jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden. Zum Beispiel, um die Person auf irgendeine Art zu diskriminieren. Dabei ist es Voraussetzung, dass der Täter eine Person des öffentlichen Dienstes ist.

Und wenn es sich um Folter handelt, muss es auch so benannt und nicht drumherum geredet werden. JÜRGEN KORELL, Wiesbaden

Verlagerte Produktionsstätten

■ betr.: „Viele haben es satt, fremdbestimmt zu werden“, taz vom 20. 5. 15

Der Ausstoß von CO2 geht in Europa zurück. Aber warum führt Hannes Koch diese Entwicklung als Grund dafür an, dass das auf Wachstum beruhende System nicht grundsätzlich geändert werden muss? Produkte führen dort zu Emissionen, wo sie produziert werden. Wenn das wegen verlagerter Produktionsstätten nicht mehr in Europa passiert, sondern in Asien oder Lateinamerika, ändert das doch nichts an der verheerenden Auswirkung des Wachstums auf die Klimabilanz. Die kann sich nicht bessern, solange EuropäerInnen durch ihre Lebensweise fünf mal mehr CO2 verbrauchen, als sie – wenn das Zweigradziel halbwegs gerecht erreicht werden soll – dürften.MIRKO DÜRINGER, Berlin

Ohne Chance auf Schutz

■ betr.: „Bedrohte Arten“, „Multikulti auf absterbendem Ast“, taz vom 20. 5. 15

Installierte Schutzsysteme sind ja immer ein trauriges Zeichen für das Versagen einer Gesellschaft. Schlimm, dass man den Tierschutz, Kinderschutz, Umweltschutz, Datenschutz … einfordern muss. Die größte Chance gesehen zu werden in seinem Bedürfnis, ist dann gegeben, wenn man durch Niedlichkeit berührt, lautstark auf sich aufmerksam machen kann, einen Nutzen hat für die Gesellschaft oder der Gesellschaft gefährlich werden kann, wenn man ignoriert wird in seinen Bedürfnissen.

So ignoriert man den Klimawandel nicht – das ist leider aber auch alles. Inzwischen sieht man auch, dass man die Bienen hätte besser beschützen müssen und Massentierhaltung uns auch schädigt. Dass man mit Lebewesen, der Natur schon aus moralischen Gründen gut umgehen muss, ist ja leider kein Thema. Und so hat die Gelbbauchunke schlechte Karten. Weil sie aber vom Aussterben bedroht ist, schauen dann doch ein paar hin.

Ohne Chance auf Schutz sind allerdings pflegebedürftige alte und demente Menschen. Denn die nützen ja niemandem, und von denen haben wir ja bald eine ganze Menge. Und so haben wir also neben dem Tier- und Kinderschutz keinen Altenschutz. „Man hat nicht ein Herz für Tiere (ich ergänze Natur) und ein Herz für Menschen, man hat eins oder man hat keins.“ Da haben wir also mal keins in diesem Land, das sich christlich nennt und nicht müde wird, andere aufzufordern, seine Werte zu teilen. Bloß nicht.MARTINA LENZEN, München

Streikende sind keine Marionetten

■ betr.: „Die Ellbogen-Gewerkschaft“, „Der Egoismus der GDL“, u. a., taz vom 19. + 20. 5. 15

Die Berichterstattung zum Bahnstreik erweckt oft den Eindruck, als würden wegen der Machtgelüste eines Claus Weselsky Millionen Bahnkunden in Geiselhaft genommen. Dabei wird weitestgehend verdrängt, dass nicht der Kollege Weselsky streikt, sondern die Lokführer.

Bei Streiks ist es immer so, dass die streikenden Beschäftigten Probleme haben, die so gravierend sind, dass sie in der Hoffnung auf Abhilfe bereit sind, in den Arbeitskampf zu gehen und dabei empfindliche Einkommenseinbußen hinzunehmen – auch wenn die Einkommen nicht üppig sind, wenn Familien zu unterhalten und laufende finanzielle Verpflichtungen zu bedienen sind. Streikgeld ist keine Lohnfortzahlung!

Die Streikenden kämpfen mit einem persönlichen Einsatz, der ungleich höher ist als bei der Beteiligung an jeder Samstagsdemonstration, für ihre eigenen Rechte. Das ist ein Akt demokratischer Selbstermächtigung, des Heraustretens aus der Rolle des Rädchens im Getriebe, ein Versuch, seine Geschicke in die eigenen Hände zu nehmen und dafür Verantwortung zu übernehmen. Der Streik ist immer auch ein Akt gesellschaftlicher Emanzipation aus der „Untertanenrolle“ gegenüber dem Arbeitgeber.

Eine Berichterstattung in der eingangs angedeuteten Tendenz mutet den Streikenden dagegen die Rolle von „Marionetten“ eines Gewerkschaftsführers zu, die sich für dessen persönlichen Geltungsdrang instrumentalisieren ließen, und nimmt ihnen damit ihre Würde, die sich tatsächlich gerade im Streik äußert. Kaum etwas könnte abwegiger sein!

Gewerkschaften sind keine Sekten, wo man beim Beitritt sein Selbstbestimmungsrecht an der Garderobe abgibt und willenlos einem Führer folgt. Sie sind vielmehr Zusammenschlüsse abhängig Beschäftigter, die ihnen die kollektive Wahrnehmung eigener Rechte und Interessen überhaupt erst ermöglichen (oder sollten dies sein). Umso kontraproduktiver ist das GDL-Bashing aus den Reihen des DGB. DANIEL KREUTZ, Köln