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LESERINNENBRIEFE

Einseitiger Blick

■ betr.: „Die Ellbogen-Gewerkschaft“,Kommentar von Richard Rother, taz vom 19. 5. 15

Jeder Tarifkonflikt wird von zwei Seiten ausgetragen! Bei Richard Rothers Kommentierung fehlt jeglicher Blick auf die Seite von DB-Vorstand und Bundesregierung: Vielleicht könnte es dort ein Interesse geben, die „kleine“ GdL nicht zum Zuge kommen zu lassen?!

Was für eine Gesellschaftsvorstellung steckt eigentlich dahinter, wenn man immer nur den „Störenfried“ für eine Auseinandersetzung verantwortlich macht?! Eine Sehnsucht nach einer Ordnung, die sich verletzt fühlt bei Fragen nach gesellschaftlich-ökonomischer Macht?! Für die Verweise auf arbeitnehmerfeindliche und gemeinwohlgefährdende Konsequenzen eines Gewinne fördernden und Bilanz beschöningenden Sparwahns nur Erzählungen aus einer bösen Zeit sind, in der noch schlimme Wörter wie „Klassenkampf“ die Runde machten?! Wenn man bei dem von Ihnen beschworenen „Staatsverständnis“ ist: Welches Verständnis von den im Grundgesetz verankerten Grundrechten (Artikel 1–19) hat jemand, der mit einem „Tarifeinheitsgesetz“ die Tariffreiheit der Menschen einschränkt, die sich in unserer Gesellschaft gezwungenermaßen organisieren müssen, um selbst nur elementare Rechte durchzusetzen?! Welches Verhältnis zu Rechten von Arbeitnehmern, die, zum Beispiel mit Blick auf die wenig glorreiche Geschichte der Vorläuferorganisation der EVG, sich halt nicht der „größten“ Gewerkschaft anschließen wollen, sondern der, die aus ihrer Sicht ihre Interessen vertritt! Welches reaktionäre und harmoniesüchtige „Staatsverständnis“ hat der, der diese „Freiheit“ einschränken möchte?! HANS STEIH, Kleve

Ich hab ne Idee

■ betr.: „Die Ellbogen-Gewerkschaft“, taz vom 19. 5. 15

Richard Rother hat seinen Beitrag geleistet, darzustellen, dass sich auch die taz redlich bemüht, in Sachen GDL den Mainstream der bundesdeutschen Medien nicht zu verlassen. Pathetisch fragt er „Soll ein ganzes Land wochenlang stillstehen?“ Danke Richard, jetzt endlich weiß ich, welcher Schlag mir heute droht. Aber nicht nur mir, nein, dem ganzen großen Deutschland. Da ist es natürlich reine Notwehr, wenn der Bund mal schnell das Grundgesetz ändert.

Übrigens: Ich hab ’ne Idee: Bei der Gelegenheit könnte man doch auch gleich beschließen, dass nur noch gestreikt werden darf, wenn DGB und Arbeitgeberverband einverstanden sind. Gilt natürlich nur für unpolitische Streiks. ROLF ALTERAUGE, Neuwied

Machtgier nervt

■ betr.: „Der Egoismus der GdL“, taz vom 20. 5. 15

Die Tatsache, dass Weselsky nicht zu Verhandlungen bereit ist, zeigt deutlich seine Machtgier. Und die nervt gewaltig!

JULIA ENGELS, Elsdorf

Hinterher hat’s keiner gemerkt

■ betr.: „Der Egoismus der GdL“, taz vom 20. 5. 15

Mich hat es erstaunt, dass Ulrike Herrmann in ihrem Kommentar Partei gegen die Lokführergewerkschaft ergreift. Sie stützt damit nicht nur die Gegenseite (Bahnvorstand, konkurrierende Gewerkschaft EVG), sie greift in ihrer Argumentation auch grundlegende neoliberale Kritikkonzepte an gewerkschaftlicher Arbeit auf, ohne deren problematische Konsequenzen wirklich zu Ende gedacht zu haben.

Die Kritik an der Politik der GDL mutet merkwürdig abstrakt an. Man könnte einfach die Bezeichnungen der Organisationen ersetzen und käme mit gleicher Logik zu einer entsprechenden Argumentation gegen die Standesvertretung der Ärzte in Krankenhäusern oder der Piloten in Verkehrsflugzeugen. Die spezifischen Gründe, die im Umfeld der Bahn wirksam sind und die erst eine erfolgreiche GdL möglich gemacht haben (staatliche Steuerung des Bahnvorstandes, korporatistische Einbindung der Mehrheitsgewerkschaft EVD), werden verdrängt und lassen damit das schiefe und merkwürdige abgehobene Bild (Gut „Arbeitskampf“) erst entstehen. So wird aus einer ganz normalen Arbeitergewerkschaft eine Standesorganisation.

Noch schlimmer aber ist Ulrike Herrmanns Rückgriff auf die neoliberalen Konzepte Egoismus und Kartellbildung. Beide Konzepte können ohne jede Einschränkung auch auf die Mehrheits-Gewerkschaften des DGB angewandt werden. Kartelle darf es in einer Marktwirtschaft gemäß neoliberaler Logik nicht geben, also sind sie zu verbieten, beziehungsweise ist ihnen zu untersagen, dass sie Kampfmittel einsetzen und mit diesen Kampfmitteln Verträge erstreiten. Das wird Ulrike Herrmann wohl so nicht gemeint und gewollt haben. Sie muss sich aber fragen, ob die Logik ihrer Argumentation nicht genau zu diesen Ergebnis führen kann. Auch die Bundestagsabgeordneten, die sich zur Sozialdemokratie oder zur Gewerkschaftsbewegung rechnen, sollten sich die Frage stellen, ob das neue „Tarifeinheitsgesetz“ nicht über kurz oder lang in ein „Verbändegesetz“ münden kann, bei der das grundlegende Streikrecht des Grundgesetzes (Artikel 9) in der Substanz beschädigt wird. Das hat dann hinterher auch keiner gewollt.

Fazit: Möglicherweise ist es der Egoismus von Minderheitsgewerkschaften wie die GdL, der in der Konsequenz dem Neoliberalismus noch Paroli bieten kann. Dass das Claus Weselsky so nicht sieht oder sehen kann, nehme ich wohlwollend zur Kenntnis.

RAINER MEYER, Bonn

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