Nun also doch: Geld für gefangene Rotarmisten

VERSÖHNUNG Bundestag erkennt Kriegsgefangene als NS-Opfer an. Linksfraktion bleibt außen vor

BERLIN taz | So plötzlich geht es im Bundestag selten: Über Nacht hat die Union ihren Widerstand gegen Pläne aufgegeben, sowjetische Kriegsgefangene der Wehrmacht als NS-Opfer anzuerkennen. Die noch lebenden Betroffenen werden in den kommenden Monaten einmalige Anerkennungsbeträge erhalten. Im Nachtragshaushalt für das Jahr 2015, den der Bundestag heute beschließt, blockiert das Parlament dafür 10 Millionen Euro.

Entsprechende Petitionen und Initiativen hatten CDU und CSU jahrelang abgelehnt – zuletzt, als Linke und Grüne zu Jahresbeginn einen neuen Versuch machten. SPD-Politiker, die sich ebenfalls für eine Lösung einsetzten, verzweifelten geradezu an ihrem Koalitionspartner. Zum Einlenken brachte die Union eine denkwürdige Anhörung des Haushaltsausschusses. Am Montag bewerteten dort Sachverständige die Anträge der Opposition, und ihre Urteile waren so einhellig, wie es die Mitglieder des Gremiums selten erleben.

„Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen unterschied sich deutlich von dem aller anderen Kriegsgefangenen“, sagte die Historikerin Beate Fieseler. Bis zu 3,3 Millionen seien im Gewahrsam gestorben, die meisten durch „gezielte Unterlassung“. Einstimmig plädierten die sechs Experten dafür, den Überlebenden einen symbolischen Betrag zu überweisen.

Das wirkte: Noch am Dienstag einigten sich Union und SPD grundsätzlich auf eine Lösung. Gemeinsam mit den Grünen beantragten sie, die 10 Millionen Euro zu reservieren. Bei schätzungsweise 2.000 noch lebenden Opfern entspricht das 5.000 Euro pro Person.

„Dass es jetzt so schnell ging, ist ein wirklicher Erfolg“, sagte Jan Korte (Linke). Seine Freude ist aber verhalten: Obwohl sich seine Fraktion seit Jahren für die Sache eingesetzt hatte, machten Union, SPD und Grüne ihren Vorstoß nun ohne die Linken. „Ich erwarte eigentlich, dass so einen Antrag alle Fraktionen gemeinsam einbringen“, sagte er.

Eberhard Radczuweit bereitete derweil sein Briefpapier vor. Er ist Geschäftsführer des Berliner Vereins „Kontakte Kontakty“, der Spenden für ehemalige sowjetische Kriegsgefangene sammelt. „Für die noch lebenden Opfer ist das eine wunderschöne Botschaft. Wir werden ihnen sofort Briefe mit der Nachricht schicken“, sagte er. TOBIAS SCHULZE