Aus- und wieder einsortiert

Nicht einen Torschuss hat der HSV abgegeben gegen den direkten Abstiegskonkurrenten VFB Stuttgart. Und nur einen einzigen Kopfball aufs Tor gesetzt – aber der saß, in der 14. Minute, und ließ den Anhang eine Viertelstunde lang im Glauben, es werde doch noch alles gut. Geköpft hatte der Mittelfeldspieler Gojko Kacar, und wenn in der Stunde zwischen dem Ausgleich und dem Schlusspfiff, der die Niederlage – und wohl auch den Abstieg – des HSV besiegelte, hin und wieder ein Fünkchen Hoffnung aufkeimte, dann nur in wenigen Momenten: wenn nämlich dieser Kacar in Strafraumnähe – nicht zu verwechseln mit Tornähe – an den Ball kam.

Denn in den beiden Spielen zuvor hatte der 28-Jährige doch auch kurz vor Schluss noch scheinbar Unmögliches vollbracht, den Siegtreffer gegen Mainz 05 erzielt und den Ausgleich gegen den SC Freiburg. Und davor, im siegreichen Spiel gegen den FC Augsburg, der die Hamburger Lebensgeister wieder weckte, war er der Antreiber und beste Mann gewesen.

Wenn aber vor ein paar Wochen jemand erzählt hätte, dass der letzte verbliebene Hoffnungsträger für den Klassenerhalt des HSV nicht Lasogga, Behrami oder Holtby heiße, sondern Kacar – man hätte ihn in kein Fachgespräch über Fußball mehr einbezogen. Kacar? Das war für viele nur der, dessen Vertrag endlich ausläuft, der in Hamburg sein teures Gehalt absitzt, statt woanders richtig arbeiten zu gehen. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass Gojko ein so gutes Angebot ausgeschlagen hat“, sagte etwa Ex-Klubchef Jarchow, als der Serbe nicht nach Hannover wollte und vielmehr auf Vertragstreue des HSV pochte.

Für eine Verfilmung der Talfahrt des HSV vom Europapokal-Halbfinalisten zum Dauer-Abstiegskandidaten wäre Kacar der ideale Protagonist: Er hat sie alle gehabt, von Veh bis Knäbel, elf Trainer, vier Manager und drei Klubchefs in den fünf Jahren, seit er für 5,5 Millionen Euro aus Berlin kam. Kacar war schon Stammspieler, Reservespieler, abgeschoben in die U 23, ausgeliehen nach Japan, angeboten wie Sauerbier und zweimal schwer verletzt. Ein Sinnbild für den planlos zusammengestückelten HSV-Kader, der einfach nicht zur Einheit werden will.

„Wir hatten alle sechs Monate einen neuen Trainer, jedes Jahr einen neuen Manager. Und jeder wollte immer erst einmal auf seine eigenen Leute setzen“, hat Kacar vor ein paar Wochen gesagt. Und dann kam mit Bruno Labbadia der Trainer, der einst entlassen wurde, kurz bevor Kacar kam, aber vorher schon seine Fühler nach ihm ausgestreckt hatte – und der ihm nun vertraut: Kacar soll in Hamburg bleiben, aber – so heißt es – zu deutlich reduzierten Bezügen.  RLO