Im Theater der Träume

JUWEL Manchester United lotst den Niederländer Memphis Depay in die Premier League. Der Jungstar soll der nächste Cristiano Ronaldo werden – dessen Extravaganz hat er schon

Er galt als arrogant, rebellisch und untrainierbar – bis man ihm einen „Life Coach“ zur Seite stellte

VON FRANÇOIS DUCHATEAU

Gerade erst hatte der 18-jährige Memphis Depay seinen ersten großen Fünfjahresvertrag bei der PSV Eindhoven mit dem Füller unterschrieben, da rannte er zum Tätowierer. Mit der Nadel sollte die nächste Signatur folgen: „Succesvol“, erfolgreich, ließ er sich auf die Innenseite der Lippe stechen. Erreicht hatte der Teenager zu diesem Zeitpunkt noch nichts, aber sein Profifußball-Traum begann wahr zu werden. „Dream Chaser“, das steht schon in großen Lettern auf seiner Brust.

Ein Jahr nachdem Louis van Gaal den heute 21-Jährigen bei der WM ins globale Schaufenster stellte, holt sein alter Bondscoach den talentierten Dribbler nun selbst ins „Theatre Of Dreams“, wie das „Old Trafford“, Heimat von Manchester United, gerne genannt wird. Der „Tulpengeneral“ ist bekannt dafür, Landsmänner ins Boot zu holen – sind diese schließlich mit seiner Spielphilosophie aufgewachsen.

Bei Depay weiß van Gaal, was er bekommt: Gemeinsam holten sie bereits Bronze in Brasilien. Seine Geheimwaffe verewigte sich am Zuckerhut als jüngster niederländischer WM-Torschütze der Geschichte und soll nächste Saison mit den Oranje-Kollegen Robin van Persie und Daley Blind United zum ersten Titel der Post-Ferguson-Ära verhelfen. Als Topscorer der Heimatliga hat Depay die PSV erst vor kurzem zur ersten Meisterschaft nach siebenjähriger Durststrecke geschossen. Stolz zeigt er seither die Schale auf seinen Avatar-Fotos in den sozialen Netzwerken.

Posen, posten, protzen. Depay ist ein typischer Fußballer der Generation Instagram. Lange stellte er sein Jetset-Sportlerleben öffentlich zur Schau und sammelte Likes für bizepsbeladene Selfies. Spätestens mit dem Mundtattoo nahm die Zeit der dicken Lippe allerdings ein Ende.

Als Zwölfjähriger war der Dribbler von Sparta Rotterdam zur sogenannten Werkself gewechselt und lebte fortan bei einer Gastfamilie. Nie hatte die PSV einem jüngeren Kicker solch einen Schritt zugemutet. Doch obwohl Depay Extraschichten schob und bereits als junger Bursche eine beeindruckende, athletische Physis hatte, galt er lange als arrogant, rebellisch und untrainierbar. Mit Joost Leenders wurde ihm deshalb ein „Life Coach“ zur Seite gestellt, ein Sittenwächter, der dafür sorgte, dass Depay nicht abhob und es auch auf dem Feld „Klick“ machte: Der U17-Europameister von 2011 ist nicht mehr bloß Ego-Shooter, sondern auch teamtaktisch gut ausgebildet.

Ganz raus zu bekommen ist der Protz aus ihm allerdings nicht, doch Depay ist heute ein anderer. Zwar lud er im Februar noch ein Video hoch, auf dem er zu Rapmusik mit einem Mercedes-Schlüssel wedelte, doch es war ein Geschenk an seine Mutter, die immer zu ihm hielt.

Selbst das Geld für den Bäcker war oft knapp bei den Depays. Der kleine Memphis wuchs im südholländischen Moordrecht in einer Gegend auf, in der der Motorradclub Saturdarah das Sagen hat. Sein Vater, ein Ghanaer, verließ die Familie, als er vier war. Als sein Stiefvater Millionen im Lotto gewann, ließ dieser sich ebenfalls nicht mehr blicken. Von beiden will Depay nichts mehr hören. Seit Jahren trägt er deshalb nicht mehr seinen Nach-, sondern nur noch den Vornamen auf dem Trikot.

Die Nummer sieben, die er am Wochenende zum letzten Mal in Eindhoven auf dem Rücken trägt, nährt die Hoffnungen in Manchester, dass van Gaal mit Depay einen neuen Cristiano Ronaldo auf die Insel holt, der sich nicht als zweiter Nani entpuppen soll. Von der Spielanlage her existieren durchaus Ähnlichkeiten zwischen CR7 und MD7: Beide sind offensive Außenspieler mit Zug zum Tor, denen der Ball selbst im Vollsprint am Fuß kleben bleibt. Depay ist Freistoßscharfschütze und weiß, Kraft und Physis mit Tempo und filigraner Wendigkeit zu kombinieren. Auch Arjen Robben nicht unähnlich, zieht er gern vom linken Flügel in die Mitte, um den Torabschluss zu suchen. An seinem linken Fuß muss er allerdings noch arbeiten.

Dream, Believe, Achieve

Lange sah es danach aus, als würde Paris Saint-Germain das Rennen um das Megatalent machen, obwohl die Ligue 1 ihm nicht so reizvoll erschien. Liverpool war lange an ihm dran, sucht nach der Verletzung von Daniel Sturridge jedoch erst einmal einen Ersatz im Sturm. Über Kontakte bekam van Gaal mit, wie nah sich PSG und die PSV waren – und intervenierte.

Die über 30 Millionen Euro, auf die die Ablösesumme durch Prämienregelungen voraussichtlich steigen wird, machen aus Depay den teuersten Eredivisie-Export aller Zeiten. Noch gehört Ruud van Nistelrooy dieser Rekord, der 2001 für 28,5 Millionen Euro von Eindhoven nach Manchester wechselte. Generell haben die „Red Devils“ gute Erfahrungen mit PSV-Transfers gemacht: Auch Jaap Stam und Ji-Sung Park schlugen bei den Briten ein.

Wie Depay seinen Manchester-Wechsel auf seinem Körper verewigen möchte, ist noch nicht bekannt. Für einen 21-Jährigen hat er nicht mehr viel Haut frei. Mit „Dream, Believe, Achieve“ kommentierte er seinen Schritt zu United auf Twitter und Co. Dieses Motto aber steht bereits auf seiner Brust.