CONTRA: KONSEQUENZEN AUS DER WAHL: Demokratie hat Risiken
Die Parteiapparate wollen lieber wieder weniger Mitbestimmung
Das neue Wahlrecht darf so nicht bleiben, darin scheinen sich die Parteiapparate insgeheim einig. Verdiente, wichtige Funktionäre sind durchgefallen, weil irgendwelche KandidatInnen von hinteren Listenplätzen ihre Klientel mobilisieren konnten.
Wer hat die verdienten Funktionäre verdrängt? Gesellschaftliche Gruppen werden in der Bürgerschaft repräsentiert, die in der Partei kaum eine Chance hätten und die oft keinen rechten Zugang zur Parlamentsarbeit gefunden haben. Etwa Elombo Bolayela. Oder denen der Zugang zur Bürgerschaft blockiert wurde wie im Falle Robert Bückings.
Vor 100 Jahren gab es in Bremen das Acht-Klassen-Wahlrecht – weil die Kaufmannsfamilien die Kontrolle über den Senat nicht mit den Repräsentanten der Arbeiter teilen wollten. Die Novemberrevolution hat dieses System hinweggefegt und auch den Frauen Stimmrecht gegeben, was bis dato als Risiko galt. Seitdem gab es in Bremen ein striktes Listenwahlrecht – über Abgeordneten-Sitze entschied die Partei, die die guten Plätze nach internem Proporz verteilte.
Vergleichen mit diesen Wahlverfahren ist das heutige weder undemokratischer noch im Ergebnis unqualifizierter. Es ist auch nicht zu kompliziert – wer zwischen Jens Böhrnsen und Karoline Linnert unterscheiden kann, kann auch bis fünf zählen. Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zu 2007 etwas gesunken, weil mehr Menschen das Ergebnis egal ist. Es ist ihr gutes Recht, dies deutlich zu machen.
Auch bei der reinen Listenwahl haben populärer SpitzenkandidatInnen die „hinteren“, unpopuläreren BewerberInnen mitgezogen. Konsequenter wäre es also, wenn es gar keine „Parteiliste“ mehr gäbe und allein Personenstimmen über die Wahl entscheiden. Was die Parteiapparate mit einer Revision wollen, ist weniger Demokratie. KLAUS WOLSCHNER
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