: „Papa kommt nicht“
PARTY Das Latino-Festival El Baile ist eine der dienstältesten Soli-Party-Reihen der Stadt. Am Samstag feiert sie ihr 15-jähriges Bestehen in der Roten Flora – typisch lateinamerikanisch mit einer pompösen Quinceañera
■ 39, der Koch, Kulturaktivist und Filmemacher wurde in Guayaquil, Ecuador, geboren und ist seit 1996 in Deutschland. Mit Roman Berg, Tan Levin und Dinah Krause hat er die Gruppe Taca taca tá gegründet, die „El Baile“ und den Salon „El Baile“ auf dem Fusion-Festival veranstaltet. Foto: Mauricio Bustamante
INTERVIEW ROBERT MATTHIES
taz: Andrés Troya Holst, was ist eine Quinceañera?
Andres Troya: In Lateinamerika schmeißen die Eltern eine Riesenparty, wenn die Tochter 15 Jahre alt wird. Das hat natürlich einen patriarchalischen Hintergrund. Die Tochter wird der Gesellschaft vom Vater als heiratsfähig präsentiert. Als ich noch in Ecuador gelebt habe, habe ich diese Parties verabscheut. Da einzig Gute daran war, dass man dort mit Erlaubnis der Eltern Alkohol trinken konnte. Es ist so eine Art Initiationsritus.
Es wird also pompös, wenn Ihre Partyreihe „El Baile“ am Samstag ihren 15. Geburtstag feiert.
Wir machen uns ein wenig lustig über diese Tradition und feiern unsere ganz eigene Quinceañera. Wir, 40-jährige Männer, verkleiden uns als 15-jährige Mädchen und gestalten die Party in diesem kitschigen Style, mit viel Luftballons. Es gibt Walzer und eine Mariachi-Gruppe kommt und singt das Geburtstagslied. Aber Papa kommt nicht, die süßliche Rede – jetzt wird meine Tochter ein Schmetterling und so – fällt aus. Stattdessen spricht ein Aktivist aus der Lampedusa-Gruppe. Aber da geht es eher um die EU-Migrationspolitik.
El Baile ist eine Soliparty, das Geld geht diesmal an Lampedusa-Aktivisten.
Unsere erste Party 2000 war so ein großer Erfolg, dass wir dachten, wir könnten daraus sogar einen Beruf machen. Aber mit der Zeit haben wir gemerkt, dass es viel mehr Spaß macht, das als Hobby zu betreiben und das Geld zu spenden, dafür suchen wir uns Partner. Lange Zeit haben wir mit dem Euromayday zusammengearbeitet und das Geld wurde für die Demos benutzt. Wir haben mit Gruppen zusammengearbeitet, die medizinische Flüchtlingshilfe machen, oder mit Initiativen aus Lateinamerika, die dort Kindern helfen. Seit zwei Jahren arbeiten wir mit Lampedusa-Gruppen zusammen.
15 Jahre ist ein stolzes Alter für eine Soli-Party-Reihe. Was ist das Erfolgsrezept?
Wir wollten von Beginn an keine „Ghetto-Party“ machen. Viele Latinos wollen unter sich feiern, aber wir machen eine Party, auf der alle willkommen sind und sich wohlfühlen sollen. Ganz wichtig ist die Atmosphäre. Meist geht es bei einer Party nur um Musik und Tanzen, bei uns soll es ein umfassendes Sinneserlebnis sein. Wir entwickeln uns immer mehr in Richtung Performance und werden eine Art Theater-Party. Wir verkleiden uns, präsentieren etwas auf der Bühne. Auch diesmal haben wir alles mit sehr viel Liebe vorbereitet. Es gibt eine Überraschungschoreografie, eine Latino-Karaoke, wir haben eine Band aus Barcelona und das Übliche: eine tolle Deko, eine Fotoausstellung, Visuals.
El Baile ist eines der Highlights im lateinamerikanischen Kulturkalender der Stadt. Welche Rolle spielt der Latino-Kontext?
Ich persönlich habe die Tendenz, alle möglichen Leute einzubeziehen und niemanden auszuschließen. Je breiter und vielfältiger, desto besser. Aber in einem Latino-Kontext, ich beziehe mich immer auf meine lateinamerikanischen Wurzeln. Ich arbeite immer mit Latinos, je mehr Länder, desto besser – wenn wir Lateinamerikaner nach Europa kommen, verschwinden die Nationalitäten. Es sind lateinamerikanische Parties, von Lateinamerikanern organisiert, die sich mit lateinamerikanischer Kultur beschäftigen. Vor diesem Hintergrund schaffen wir einen Raum, in dem alle willkommen sind.
Wer zu El Baile geht, hat das Gefühl, auf einer großen Familienfeier zu sein. Geburtstag feiert auch dieses Netzwerk.
Im Verein Taca taca tá sind wir acht Leute, aber wir haben von Anfang an ein Netzwerk gebaut. Mit Künstlern, Helfern und der Organisationsgruppe sind an El Baile jedes Mal rund 80 Leute beteiligt. Viele sind von Anfang an dabei, auch die DJs vom Tropeninstitut, die früher Sonido Bestial hießen, sind lange dabei. Die haben der Party musikalisch ihren Stempel aufgedrückt: ein Latin-Crossover von alten Salsa-Sachen bis zu moderner elektronischer Cumbia.
■ Sa, 16. 5., 22 Uhr, Rote Flora
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