Grüße vom Pharao

KÖRNER Sie erweitern die Geschmackspalette, enthalten viel Protein und sind gut für Allergiker geeignet: Amaranth, Buchweizen und Kamut machen in Berliner Backstuben anderen Getreidesorten Konkurrenz

Der Geschmack ist kräftiger, manchmal süßer, manchmal auch nussiger

VON ANSGAR WARNER

Es muss nicht immer Weizen sein: Mit leckeren Alternativen wie Amaranth, Buchweizen oder Kamut werden immer öfter Brot und Brötchen, aber auch Gebäck und Kuchen aufgepeppt. Die neue Lust am nicht alltäglichen Korn hat viele Ursachen: „Der Geschmack ist kräftiger, manchmal süßer, wie bei Amaranth, manchmal nussiger wie bei Quinoa oder Kamut, und das Produkt sieht natürlich auch anders aus“, so Marian Kalliske, stellvertretender Leiter der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Berlin.

Außerdem hätten die Weizen-Alternativen es in puncto Nährwert und Gesundheit in sich: „Sie sind besonders proteinreich und enthalten viele Mineralien und Spurenelemente, dafür aber wenig Gluten – was für Allergiker natürlich von Vorteil ist“, berichtet Kalliske.

Amaranth und Buchweizen sehen nicht nur anders aus als normales Getreide, mit Weizen haben sie auch botanisch gar nichts zu tun. Buchweizen zählt zu den Knöterichgewächsen und wird traditionell vor allem in Russland, Kasachstan und China angebaut. Zum Backen dient es eher selten, in grob gemahlener Form bildet es umso öfter die Grundlage für Suppen, Fladen und Nudeln und natürlich für leckere Buchweizen-Pfannkuchen.

Amaranth dagegen, wegen seiner rot blühenden Dolden auch als „Roter Fuchsschwanz“ bezeichnet, ist eine Hirse-Art. Der ebenfalls häufig verwendete Beiname „Kraftkorn der Azteken“ verrät auch schon etwas über die Herkunft: Neben Mais und Bohnen war Amaranth in Süd- und Mittelamerika früher eins der Hauptnahrungsmittel. In der modernen Küche reicht die Palette der Verwendungsformen von Brot, Gebäck und Müsli bis zu Pop-Corn-Ersatz und aus Amaranth gebrautem Bier.

Da Gluten aber als der klassische „Klebstoff“ für die richtige Konsistenz des Teigs sorgt, lässt sich Mehl aus Amaranth, Buchweizen, Kamut & Co. nicht ganz so einfach verarbeiten. „Weizen ist das am besten backfähige Getreide, es enthält viel Gluten, durch die typische lockere Festigkeit lässt sich so ein Teig sehr gut kneten“, weiß Kalliske. Deswegen seien Backwaren aus anderem Mehl meist Mischungen auf Weizenbasis: „Ein Haferbrot zum Beispiel muss nicht mehr als 20 Prozent Hafer enthalten, genauso ist es bei anderen Beimischungen.“

Bei Kamut handelt es sich tatsächlich um eine echte Weizenart – und das schon sehr lange. Das auch als Khorazan-Weizen bezeichnete Getreide steht genetisch zwischen dem Urweizen Einkorn und modernen Weizensorten und Dinkel. Kultiviert wurde Kamut schon vor 6.000 Jahren im Nahen Osten, geriet dann aber über den lokalen Anbau hinaus in Vergessenheit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg soll dann ein in Europa stationierter US-Pilot 36 Körner eines „Riesenweizens“ an seine Verwandten in Montana geschickt haben. Als das urige Korn – das angeblich aus einem Pharaonengrab stammte – auf wundersamer Weise keimte, wurde es von den findigen Landwirten am Fuß der Rocky Mountains erst als „King Tut’s Wheat“, später unter dem eingetragenen Markenzeichen Kamut vermarktet. Letzteres bedeutet auf Ägyptisch „Seele der Erde“. Seit dem Beginn des Biobooms ging es mit Kamut steil bergauf, inzwischen wird der Urweizen in den USA und Kanada auf knapp 20.000 Hektar angebaut.

Das hat vor allem klimatische Gründe, so Gabriele Freyer, bei Kamut International zuständig für die Vermarktung unter anderem in Deutschland: „Im Winter ist es dort sehr kalt mit viel Schnee, im Sommer wird es heiß und trocken und die Pflanzen können die Feuchtigkeit über den Boden beziehen.“ Gegenüber Regen sei das Urgetreide nämlich empfindlich, der Anbau in Mitteleuropa habe deswegen kaum funktioniert. Zum größten Absatzmarkt für das Urgetreide hat sich die Pasta-Nation Italien gemausert: „In der italienischen Küche sind Teigwaren aus Kamut Khorazan so beliebt, weil sie durch die Verwendung des Urweizens eine Qualität an Pasta liefern, die vielen Konsumenten nur noch aus der Erinnerung an vergangene Zeiten bekannt ist“, so Freyer. Eine besondere Rolle spielt die Fertigung in traditionellen Pastaformen aus Bronze: „Das führt zu einer rauen Oberfläche und sorgt dadurch für eine bessere Saucenhaftung“, erklärt Freyer.

Kamutbrot bekommt man längst auch frisch aus Berliner Backstuben – allerdings nicht pur. Mit der Eigenbackfähigkeit von Kamut ist es nämlich nicht sehr weit her, auch das Pharaonenkorn made in USA wird in der Backstube mit normalem Weizen vermischt.

Das hat aber wiederum seine Vorteile: „Die Weizen-Alternativen wie Amaranth, Buchweizen oder Kamut sind beim Anbau nicht sehr ertragreich, deswegen ist das Mehl teurer“, so Marian Kalliske. Durch die Mischung bleibe das Amaranth-Brötchen oder der Kamut-Keks dann aber bezahlbar.