Vom bejubelten Putsch zur Angst vor Krieg

MACHTKAMPF Der General, der in Burundi die Macht ergriffen hat, bekommt die Lage nicht in den Griff. Die Armee ist gespalten

VON SIMONE SCHLINDWEIN

BERLIN taz | Schüsse hallen durch die Straßen, über der Stadt hängen Rauchwolken. Einen Tag nachdem ein Generalmajor den Präsidenten Pierre Nkurunziza für abgesetzt erklärte, scheinen Putschgegner und Putschbefürworter das letzte Gefecht noch nicht beendet zu haben.

Noch am Mittwoch hatten Abertausende Burunder in der Hauptstadt Bujumbura gejubelt: Zweieinhalb Wochen Straßenproteste hatten offenbar gefruchtet. Am späten Mittwoch Vormittag erklärte Generalmajor Godefroid Niyombare Nkurunziza für abgesetzt: „Ich nehme das Schicksal des Landes in die Hand“, verkündete er in einem Radiosender.

Nkurunziza hatte am Morgen das Land verlassen. Er war ins Nachbarland Tansania geflogen. Auf einem Ostafrika-Gipfel wollten seine Amtskollegen mit ihm die Krise in Burundi besprechen.

Seit Wochen herrscht Chaos im Land. Mehrere Tausende Menschen demonstrierten auf den Straßen Bujumburas: gegen eine dritte Amtszeit von Nkurunziza. Dieser war von seiner Partei CNDD-FDD (Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie) am 25. April zum Spitzenkandidaten für die Wahl am 26. Juni gekürt worden. Laut Verfassung darf er aber zu einer dritten Amtszeit nicht antreten. Das Verfassungsgericht ließ ihm dies durchgehen. Das Volk nicht.

Und so strömten die Massen seit Ende April auf die Straßen. Die Polizei, loyal zu ihrem Nkurunziza-treuen Befehlshaber, Sicherheitsminister Edouard Nduwimana, versuchte die Proteste niederzuschlagen. Fast 50 Menschen starben.

Das Militär hielt sich bedeckt und erklärte, die Armee verteidige die Verfassung und nicht den Präsidenten. Damit war indirekt klar, dass die Soldaten Nkurunziza nicht unterstützen. Seine Reise zum Krisengipfel in Tansanias Hauptstadt Daressalam war die Gelegenheit: Generalmajor Niyombare nahm das Zepter in die Hand. Dann schlossen seine Truppen den Flughafen, damit Nkurunziza nicht zurückkommt. Der gestürzte Präsident blieb vorerst in Tansania.

Putschführer Niyombare, Ex-Stabschef der Armee und dann Botschafter in Kenia, war bis vor Kurzem Chef des Geheimdienstes. Nkurunziza hatte im Dezember 2014 Schlüsselpositionen im Machtapparat neu besetzt. Damit besiegelte er rückblickend schon sein Schicksal. Der bisherige Geheimdienstchef Generalmajor Adolphe Nshimirimana wurde seines Amtes enthoben und dafür Niyombare eingesetzt. Doch nur für kurze Zeit. Niyombare soll Nkurunziza geraten haben, nicht erneut anzutreten. Dafür musste auch er im Februar seinen Posten räumen.

Ob Niyombare jetzt die Macht haben wird, hängt nicht nur von der laufenden Schlacht um Bujumbura ab. Schon Nkurunziza hatte nur begrenzt das Sagen. Hinter ihm regierte schon immer ein Schattenkabinett, mächtige Männer aus der Zeit des Krieges, als die CNDD-FDD als Rebellenarmee gegen die damalige Militärherrschaft kämpfte.

Einer davon ist Niyombares Vorgänger als Geheimdienstchef, Generalmajor Adolphe Nshimirimana. Er ist quasi der Mafiakönig der Region der Großen Seen: Ob Drogen-, Gold- oder Waffenhandel – Adolphe macht aus allem richtig viel Geld. Und so galt er lange als der eigentlich mächtigste Mann im korrupten Burundi. Er blieb Nkurunziza auch nach seiner Entlassung treu. In jüngster Zeit soll er die berüchtigte CNDD-FDD-Jugendmiliz „Imbonerakure“ mit Macheten ausgerüstet haben.

Der andere mächtige Strippenzieher ist General Alain-Guillaume Bunyoni, einst Polizeichef, seit Kurzem Sekretär des dem Präsidenten unterstehenden Nationalen Sicherheitsrats. Er gilt als der reichste Mann im Land. Verschiedene Quellen sagen, Niyombare habe diese beiden mächtigen Generäle verhaften lassen. Aber damit ist es nicht getan. General Prime Niyongabo steht als Stabschef nach wie vor auf Nkurunzizas Seite. Seine Einheiten verteidigten am Donnerstag noch den Präsidentenpalast und den Staatssender RTNB.

Die Armee ist also in sich tief gespalten, und mit dem Putsch ist der Machtkampf offen ausgebrochen. Nach der Machtübernahmeerklärung Niyombares fand sich die Armeeführung zu einem Treffen ein. Die Sitzung ging bis in die Morgenstunden des Donnerstags. Aber anscheinend wurde keine Einigung erzielt. Die Generäle marschierten in Richtung der verschiedenen Radiostationen in Bujumbura, um ihre Erklärungen abzugeben.

Für die Radios war das fatal. Der regierungskritische Sender Bonesha wurde überfallen, der regierungstreue Sender Radio Rema FM von Demonstranten angezündet. Besonders hart traf es den kritischen Sender RPA (Radio Publique Africain), der zuvor geschlossen worden war: Er hatte wieder zu senden begonnen und die Putschnachricht verbreitet. Dann traf ihn eine Rakete.

Die Schlacht um die Medien geht noch weiter. Journalisten des Staatssenders RTNB berichten, Putschgegner hätten am frühen Morgen das Gebäude gestürmt und den Staatsstreich live für nichtig erklärt. Daraufhin trafen Raketen die Radiostation. Am Donnerstagnachmittag wurde um die RTNB-Zentrale erneut heftig gekämpft.

In Bujumbura riecht es nach Bürgerkrieg. Und wie es im Rest des Landes aussieht, wo Nkurunziza als Liebling der ländlichen Bauernbevölkerung die größte Popularität genießt, ist unklar.