WAS MAG EIN KONZERN, DER EINE SCHULE SPONSERT, ALS GEGENLEISTUNG ERWARTEN? UND WAS, WENN ES SICH UM EINEN ATOMFREUNDLICHEN ENERGIERIESEN HANDELT?
: Unsichtbare Beeinflussung

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

Das niedersächsische Kultusministerium hat entschieden, dass Schulen nicht mehr mit Energieunternehmen zusammenarbeiten dürfen. Zur Zeit betrifft das im Land Niedersachsen fünf Gymnasien, die eine Partnerschaft mit einem Energiekonzern eingegangen sind. In einer Partnerschaft trägt jeder einen Teil dazu bei, dass sie für beide Seiten auch von Vorteil ist. Im geschäftlichen Bereich nennt sich das Sponsoring: Ein Unternehmen kauft einen Satz Trikots für eine Fußballmannschaft und will dafür seinen Namen auf dem Trikot stehen sehen. Zum Beispiel.

In Niedersachsen gibt ein Energiekonzern halt einer Schule Geld und will dafür – was haben? Schulen klagen allgemein über fehlendes Geld. Ich weiß das, ich höre das auf jedem öffentlichen Schulelternabend. Da kann dieses nicht angeschafft, jenes nicht repariert werden, und der Anbau muss auch noch warten. Da spenden Eltern, da greifen Ehemaligenvereine in die eigene Tasche, sofern die denn vorhanden ist. Die hart wirtschaftenden Schulverwaltungen sind dankbar und froh über jeden Cent, soweit ist die Einlassung auf Sponsoring verständlich.

Die Energiekonzerne geben den Schulen also Geld, dazu Einblicke in ihre Arbeitsfelder, sie halten Fachvorträge und bieten Exkursionen an in die Welt der Energiegewinnung. Das Franziskusgymnasium in Lingen zum Beispiel hatte als Partner die Firma GDF Suez – jetzt „Engie“ –, das ist ein französischer Strom- und Gaskonzern, der auch auf Atomstrom setzt und zum Beispiel im Jahre 2023 die Betreibung des ersten gigantischen Atomkraftwerks in der erdbebengefährdeten Region Sinup in der Türkei übernehmen soll. Offensichtlich handelte es sich beim Sponsor in diesem Fall weniger um ein ortsansässiges Kleinunternehmen, auch wenn es irgendwie ortsansässig ist. GDF-Suez gab dem Gymnasium in Lingen, so berichtet der NDR, circa 3.000 Euro im Jahr. Ich nehme an, das kann sich ein internationaler Stromkonzern leisten.

Aber nun soll das nicht mehr sein, und die Schule, aber auch SchülerInnen sind sauer, teilweise jedenfalls. Sie würden die Zusammenarbeit gern fortsetzen. Denn woher kommt jetzt das entgangene Geld? Wer ersetzt das? Und dazu die Vorträge und die fachliche Kompetenz?

Das ist Lobbyismus, sagen die Gegner solcher Partnerschaften, das ist Einflussnahme und soll nicht sein an öffentlichen Schulen: An öffentlichen Schulen sollen nicht die Interessen französischer Atomfreunde gefördert werden. Zum Beispiel.

Werden sie ja vielleicht auch nicht. Aber warum ist ein Konzern an solch einer Partnerschaft überhaupt interessiert? Sponsoring, das ist immer Leistung und Gegenleistung. Worin besteht also die Gegenleistung der Schule für die circa 3.000 Euro im Jahr? Und wie müsste dieses Interesse, diese Gegenleistung aussehen, ohne dass es fraglich wäre, ob dies an öffentlichen Schulen passieren dürfte? Imageaufbesserung? Frühzeitige Fachkräfteanwerbung? Ist es eigentlich vorstellbar, dass ein Angestellter einer Firma, wenn er loyal gegenüber der Firma eingestellt ist – und das sollte er wohl wenigstens nach außen hin sein – Kritik an der Politik dieser Firma äußert, indem er deren wirtschaftliche Entscheidungen, wie zum Beispiel die Hinwendung zur Atomkraft, im öffentlichen Raum in Frage stellt? Und wenn nicht, welchen Wert hat dann die fachliche Kompetenz und die zusätzliche Bildung?

Beeinflussung ist nicht messbar. Was in den Köpfen der SchülerInnen hängen bleibt, welches Bild, welche Einstellung, wer weiß das schon? Wenn eine Firma sich aber regional für Bildung einsetzen will, wenn ihr das das erste Anliegen ist, warum spendet sie dann nicht einfach sagen wir 3.000 Euro, an eine Schule, zum Beispiel?

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.