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CURRYWURST GEHT IMMERAlles schicki

Ein güldenes Licht macht es sich wieder gemütlich

„So sieht’s aus“, sagt der Mann am „Imbiss Straße des 17. Juni“, „so sieht’s aus.“ Er nimmt einen Schluck Kaffee, und eine Augenbraue zuckt. Der Mann ist, wie seine weiteren Ausführungen vermuten lassen, Modelleisenbahnsammler. „Herr Krause“, so geht die Erzählung des Mannes, „Herr Krause, hab ich gesagt, meine Frau hat die Scheidung ausgesprochen, ich gebe Ihnen den ICE zurück.“ Der Mann schluckt: „Ich war nur drei Runden mit ihm gefahren. Damals.“ 650 D-Mark habe er für den Schnellzug dereinst an Herrn Krause gezahlt, „Krause gab mir nur ein Drittel des Preises zurück, so sieht’s aus.“ Der Mann guckt noch mal in seinen Kaffee, der Becher ist leer.

„’tschuldigung, darf ick mal stören?“, fragt ein anderer Mann den Imbisswirt, der, angetan mit einer markanten Goldrandbrille, Stil Karl-Heinz-Köpcke, hinter dem Tresen steht und dem Modelleisenbahnsammler zuhört. „Wenn’s Geld bringt, immer“, kalauert der Wirt, und der geschiedene Mann macht sofort Anstalten zu gehen. „Alles schicki“, sagt er abschließend und dreht sich trotz Kaffee sehr verlangsamt der Straße des 17. Juni zu, „alles schicki.“ – „Komm gut nach Hause“, ruft die Goldrandbrille, „und grüß die Frau, die zweite.“

Die tief stehende Sonne am gegenüberliegenden S-Bahnhof Tiergarten wird von einem durchfahrenden Zug Richtung Ahrensfelde verdeckt. Auf dem breiten Bürgersteig sind Läufer aller Laufarten und Schnelligkeitsgrade unterwegs. Jetzt ist der Zug durch, und ein güldenes Licht macht es sich wieder gemütlich. Der andere Mann bestellt ein Schultheiss und sagt ansonsten nichts. Frittiergeräusche dringen aus dem Imbiss, auf Nachfrage erzählt der Wirt, dass er schon seit über 50 Jahren dieses Gewerbe betreibe, lange Jahre an der früheren Entlastungsstraße. Dann verdeckt die S 7 nach Potsdam die Sonne. „Eine Currywurst geht immer“, sagt er, und ich zahle. HARRIET WOLFF

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