Stark gedämpfte Mehrheit für Rot-Grün

BREMEN Die SPD kann nach der Wahl in der Hansestadt weiterregieren, obwohl der grüne Koalitionspartner deutlich verliert. Die FDP schafft ein Comeback, auch die AfD könnte in die Bürgerschaft eingezogen sein

Warum der Mangel an Begeisterung? Weil es in Bremen keine Freude ist, zu regieren

AUS BREMEN BENNO SCHIRRMEISTER

Eine Bestätigung und zugleich einen deutlichen Dämpfer für die seit 2007 bestehende rot-grüne Koalition, eine inhaltsbefreite Rückkehr der FDP in die Bremische Bürgerschaft, Zugewinne für Die Linke, aber auch für die CDU – das sind die Eckdaten der Landtagswahl im kleinsten Bundesland, die schon heute feststehen. Die Wahlbeteiligung fiel rasant auf unter 50 Prozent.

Noch unklar ist, ob sich der Siegeszug der AfD nach Hamburg nun auch in Bremen fortgesetzt hat, Hochrechnungen taxieren sie auf etwa 5 Prozent. Ein verlässliches Ergebnis erwartet Landeswahlleiter Jürgen Wayand, nicht vor Mittwoch vorlegen zu können. Grund für die lange Zähldauer ist das komplexere, seit 2011 geltende Wahlrecht: Es kombiniert Personen- und Listenwahl und erlaubt den WählerInnen, fünf Stimmen ganz nach Belieben zu häufen oder zu mischen. In Hamburg, wo es ein ähnliches Abstimmverfahren gibt, hatte es nach der Wahl im Februar zehn Tage gedauert, bis alle Politiker tatsächlich wussten, ob sie im Parlament sind oder nicht. Solche Härten will man in Bremen vermeiden – was nun dafür sorgt, dass über den Wahlabend hinaus Ungewissheit bestehen wird über die Verteilung der 82 Sitze der Bremischen Bürgerschaft.

Abgesehen von der FDP, der dank massivem Direktmarketing und einer parteilosen Verpackungsunternehmenserbin als Covergirl nach vier Jahren Abstinenz der Wiedereinzug ins Parlament gelang, ist es schwer, echte GewinnerInnen auszumachen. Die SPD hat verloren, die Grünen konnten, wie erwartet, ihr Fukushima-Allzeithoch nicht mal annähernd halten.

Die CDU profitierte davon indes kaum. Wenigstens hat sie das Wahlziel erreicht, die Grünen von der 2011 errungenen Position der zweitstärksten politischen Kraft im Lande wieder zu verdrängen. Aber viel gewonnen ist damit nicht: Die Union hatte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) bei der Frage nach möglichen Regierungspartnern „nicht meine erste Wahl“ genannt. Und um ihr Plus von gerade mal 2 im Vergleich zu 2011 zu erklären, reicht es, auf die noch weiter gesunkene Wahlbeteiligung zu schauen: In den reichen Ortsteilen, in denen die Union traditionell stärker ist, war der Rückgang deutlich niedriger als in den sozialen Brennpunkten und ehemaligen Arbeiterquartieren, in denen die SPD ein Abo auf die Stimmenmehrheit hat. Ideen, um so etwas wie Wechselstimmung zu erzeugen, hatten die Christdemokraten vergessen zu entwickeln – wenn nicht gar vermieden.

Der Mangel an Begeisterung für Bremer Politik, den auch Bremer PolitikerInnen an den Tag legen – ist nachvollziehbar: Denn eine reine Freude ist es nicht, dort zu regieren. Zumal der Posten der Finanzsenatorin, den die grüne Frontfrau Karoline Linnert seit nunmehr acht Jahren innehat, als eines der anspruchsvollsten und sicher undankbarsten politischen Ämter in Deutschland gilt: Der Landeshaushalt liegt etwas über 4 Milliarden Euro im Jahr. Zugleich ist Bremen mit 21 Milliarden Euro verschuldet – das sind 32.000 Euro pro Kopf – und muss täglich gut eine Million Zinsen bezahlen.

Das bedeutet kaum Spielraum für große Aktionen. Den hat sich Rot-Grün durch ein extrastrenges Neuverschuldungsverbot in der Landesverfassung, das die CDU und die außerparlamentarische FDP ausdrücklich begrüßt haben, noch weiter verengt.