Gentlemen geben sich die Ehre

ZWEI NEUE INTENDANTEN

Viele bunte Intendanten machen Berlin nicht automatisch kosmopolitisch

Erst wird ein Belgier, zuvor Kurator in London, Intendant der Volksbühne. Ein Mann von außen an diesen hoch speziellen Ostberliner Kosmos? Die Zweifel in der Stadt waren groß – bis zum ersten Auftritt des ganz vernünftig wirkenden Neuen. Dann, am Dienstag, die Inthronisierung des neuen Berliner Schlossherrn. Wieder ein Londoner! „Oh my god“, raunte es ehrfürchtig im Pressesaal – was für eine intellektuelle Aufladung des bislang konturlosen Bundesvorhabens. Aber droht durch Chris Dercon und Neil McGregor nicht auch eine Britisierung der gewachsenen hauptstädtischen Kulturlandschaft?

„Not in the least“, wie der Brite sagt. Nicht nur hat Neil McGregor den Kunsthistoriker Horst Bredekamp und den Sammlungs-Chef Hermann Parzinger an seiner Seite – beide hinreichend verwurzelt. Und nicht nur kommt Dercon mit einem fünfköpfigen Team an die Volksbühne, das verschiedene Kompetenzen und Nationalitäten vereint. Außerdem ist das Schielen nach Herkunft und künstlerischer Sozialisation kleingeistig und gestrig: Kunst und Kultur waren ihrem Wesen nach schon immer international – und sind es in einer globalisierten Welt mehr denn je. Aufgrund der historischen Insellage dauerte es, bis sich das auch in den Leitungsposten führender Kulturinstitutionen Berlins widerspiegelte.

Es könnte und sollte ruhig noch internationaler zugehen an den Bühnen und Museen: Die Belgierin Annemie Vanackere am HAU, die türkischstämmige Shermin Langhoff am Gorki –und sonst? Ulrich Khuon (Deutsches Theater) ist Schwabe, Ostermeier (Schaubühne) Niedersachse und Hermann Parzinger (Stiftung Preußischer Kulturbesitz) Münchner. Da ist noch Luft für Frauen, Menschen mit ostdeutschem oder anderem Migrationshintergrund.

Viele bunte Intendanten machen Berlin zwar nicht automatisch kosmopolitisch. Aber sie könnten der Stadt helfen, mit dem internationalen Zuzug Schritt zu halten. Dass Neuberliner und Touristen sich mit ihren Erfahrungen und Perspektiven in den Theatern und Museen wieder finden, dafür wird es jetzt Zeit. NINA APIN