Geschäft mit illegalen Mexiko-Lieferungen

WAFFEN Stuttgarter Staatsanwaltschaft erwägt Anklage gegen Rüstungsfirma Heckler & Koch

BERLIN taz | Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft will noch diesen Sommer darüber entscheiden, ob sie gegen das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch (H&K) Anklage wegen illegaler Waffenexporte nach Mexiko erhebt. Das erklärte Sprecherin Claudia Krauth am Freitag der taz. Zuvor war ein Bericht des Zollkriminalamts (ZKA) bekannt geworden, der zahlreiche Vorwürfe bestätigt, die in den letzten Jahren gegen die Firma in diesem Fall erhoben wurden.

Nach Einschätzung der Zollfahnder soll H&K dafür verantwortlich sein, dass etwa die Hälfte von insgesamt 9.472 Sturmgewehren vom Typ G36 in mexikanischen Bundesstaaten landeten, für die deutsche Exportbehörden keine Ausfuhrgenehmigung erteilt hatten. Mitarbeiter des Unternehmens hätten das widerrechtliche Geschäft „herbeigeführt, gefördert oder zumindest gebilligt“. Drei Millionen Euro soll das Unternehmen daran verdient haben. Dieses Geld müsse abgeschöpft werden.

Darüber hinaus bestätigen die Zollfahnder journalistische Rechercheergebnisse der letzten Jahre. 2012 veröffentlichte die taz eine Liste des mexikanischen Verteidigungsministeriums, die darlegte, dass 4.796 der gelieferten Gewehre in die „verbotenen Bundesstaaten“ Guerrero, Chiapas, Jalisco und Chihuahua gelangt waren. Die Zollbeamten bekräftigen auch einen Verdacht, den Aussagen von Beteiligten eines Arbeitsgerichtsprozesses 2013 nahelegten: dass H&K-Mitarbeiter gezielt Absprachen mit mexikanischen Behörden trafen, um Endverbleibserklärungen zu fälschen und so den illegalen Verbleib der G36 zu verschleiern. So seien die Gewehre auf dem Papier in den Bundesstaat Colima gegangen, tatsächlich aber nach Chiapas, informiert der 82-seitige Bericht, der den Stuttgarter Strafverfolgern bereits seit September 2014 vorliegt.

2010 stellte der Pazifist Jürgen Grässlin wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- sowie das Außenwirtschaftsgesetz Anzeige gegen H&K. Sein Anwalt Holger Rothbauer hofft, dass jetzt Anklage gegen die Firma erhoben wird. „Alle für das Mexiko-Geschäft Verantwortlichen müssen vor Gericht gestellt werden“, forderte er am Freitag. Die Zollfahnder sprechen von fünf früheren Führungskräften und Mitarbeitern, die angeklagt werden müssten. Sollten sie schuldig gesprochen werden, drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft. H&K lehnt in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme jede Verantwortung ab und weist darauf hin, dass drei von fünf Beschuldigten nicht oder nicht mehr für H&K arbeiten. WOLF-DIETER VOGEL

■ Der Autor dieses Textes ist einer der kritischen Journalisten, deren Berichte Heckler & Koch und dem Verteidigungsministerium so quer gingen, dass sie den Militärischen Abschirmdienst (MAD) aufforderten, tätig zu werden. Alle taz-Texte von Wolf-Dieter Vogel zum Nachlesen für Geheimdienstler und andere gibt es unter www.taz.de/!a295