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Tanz den Adolf Hitler!

70 JAHRE KRIEGSENDE Gedenken für alle: Zum Tag der Befreiung finden am Wochenende die unterschiedlichsten Veranstaltungen statt. Da kann man schnell den Überblick verlieren. Die taz gibt Empfehlungen von Museumsbesuch bis HipHop-Konzert

Für Aktivisten

Hitler ist zwar kaputt, Nazis gibt es aber leider immer noch. Und die machen auch vor dem Tag der Befreiung nicht halt: Am Freitagabend will die NPD in Karlshorst eine Kundgebung veranstalten, für Samstag haben sich die Rechten was ganz Großes vorgenommen: Bundesweit wird zum „Sturm auf den Reichstag“ aufgerufen, ab 15 Uhr findet am Hauptbahnhof ein Stelldichein der rechten Szene statt: NPD und Pro Deutschland, die Reichsbürger und Bärgida geben sich die Hand. Jürgen Elsässer will außerdem die „Nachtwölfe“ begrüßen – Homophobie und Nationalismus sind schließlich gemeinsame Nenner.

Zum Glück gibt es Gegenkundgebungen: Am Freitag am Museum Karlshorst, am Samstag vor dem Bundeskanzleramt. Wer sich an diesem Wochenende nicht nur mit Rückschau, sondern auch mit gegenwärtigen Problemen befassen möchte, ist hier richtig.

■ Kundgebung: Samstag, 14 Uhr, Bundeskanzleramt www.berlin-gegen-nazis.de

Für Pazifisten

Vor der Gedächtniskirche findet das ganze Wochenende lang ein „Gedenk- und Friedensfest“ statt. Das Programm ist umfangreich: Es gibt Podiumsgespräche, etwa mit der Initiative Saalam-Shalom, Workshops zu Themen von Puppentheater über Mantren singen bis Grundeinkommen und begleitende Ausstellungen. Dazu ein musikalisches Programm, bei dem unter anderem die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano mit ihrer HipHop-Kombo auftritt.

Wer glaubt, mit dem Besuch noch nicht genug für den Weltfrieden getan zu haben, bekommt dazu am Sonntag noch eine weitere Gelegenheit: Die Friedensbewegung ruft zu einer Demonstration zum Abschluss der Friedenswinter-Kampagnen auf. Beginn ist um 12 Uhr am Hackeschen Markt. Also Regenbogenfahne eingepackt und los!

■ Friedensfest: ab Freitag 13 Uhr, Breitscheidplatz

www.08mai2015.de www.friedenswinter.de

Für Geschichtsbedachte

Im Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst wird den ganzen Freitag über mit einem Museumsfest des Kriegsendes gedacht. Der Ort spielt für dieses Datum schließlich eine besondere Rolle: Hier unterzeichneten die Deutschen in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation, der Zweite Weltkrieg war damit beendet.

Am Freitag können sich Besucher in Themenführungen auf Deutsch, Russisch und Englisch mit dem Verhältnis zwischen Deutschland und der Sowjetunion bis 1945 und der Kapitulation beschäftigen, eine Sonderausstellung widmet sich der Gedenkkultur rund um den 9. Mai. Im Museum gibt es außerdem Podiumsgespräche und ein Filmprogramm, auf dem Museumsvorplatz und im Garten finden den ganzen Tag über Konzerte, Lesungen und Gedenkbeiträge statt. Verschiedene politische Initiativen stellen ihre Arbeit vor, ein Kinderprogramm samt Hüpfburg gibt es noch obendrauf. Um 22 Uhr halten Kulturministerin Monika Grütters und verschiedene Botschafter einen „Toast auf den Frieden“.

■ Museumsprogramm: Freitag, 10–24 Uhr, Zwieseler Straße 4 www.museum-karlshorst.de

Für Rocker

Ganz egal, ob die „Nachtwölfe“ nun am Samstag wirklich wie angekündigt in Berlin eintreffen oder nicht: Halb Europa in Atem gehalten haben Putins Rocker, wie sie gern genannt werden, bereits so oder so. Gesichtet in Weißrussland, abgewiesen in Polen, zurückgeschickt am Flughafen Schönefeld und jetzt plötzlich doch schon in Sachsen – die Männer um den markigen Clubpräsidenten Alexander Saldostanow – Freunde nennen ihn „Chirurg“ – können sich über einen Mangel an Aufmerksamkeit wahrlich nicht beklagen.

Wer sich persönlich davon überzeugen möchte, ob die Biker nun „Putins Nazi-Rocker“ (Bild) oder doch nur „unbescholtene Akademiker“ (Anwalt Johannes Eisenberg) sind, muss sich am Samstag auf die Suche machen. Denn ob der Motorradclub nun tatsächlich der Einladung Elsässers folgt (siehe Text links) oder lieber wie angekündigt das Ehrenmal im Treptower Park besucht (siehe Text unten), ist unbekannt. Auch ob die Fahrt im Konvoi klappt, steht noch nicht fest, bisher sind laut Senatsverwaltung nicht die erforderlichen Anträge dafür eingegangen. Andererseits – ob sich echte Rocker wirklich davon aufhalten lassen?

■ Ort und Uhrzeit nicht bekannt

Für Feierwütige

Das sowjetische Ehrenmal im Treptower Park ist ein beeindruckender Ort – um dem zuzustimmen, muss man nicht mal Fan der Roten Armee sein. Wer dazu noch erleben will, wie Gedenken mit einem ordentlichen Sowjet-Anstrich im Jahr 2015 funktioniert, der kommt am Samstag am besten hier hin: In einem stetigen Strom, fast schon eine Prozession, ziehen an diesem Tag Menschen zum Ehrenmal, um hier ihre Kränze abzulegen. Sich rauszuputzen ist für diesen Anlass ein Muss – dass manche Menschen darunter tatsächlich das Überziehen alter NVA-Uniformen verstehen, eine unangenehme, aber zum Glück auch marginale Begleiterscheinung.

Danach unbedingt beim „Fest zum 70. Jahrestag des Sieges“ vorbeischauen, das vom VVN-BdA organisiert wird. Auf der Bühne sprechen Zeitzeugen, es spielt die Bolschwistische Kurkapelle. Außerdem fließt der Wodka in Strömen, gestandene Antifaschisten feiern gemeinsam mit dem linken Nachwuchs und irgendwann beißt auch der letzte Vegetarier beherzt in ein Speckbrot mit Gurke. Sa sdorowje!

MALENE GÜRGEN (alle Texte)

■ Siegesfeier: 11–22 Uhr, Rosengarten im Treptower Park

neuntermai.vvn-bda.de

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