Hans Grunich erinnert sich

Meine Familie lebte seit dem Ersten Weltkrieg in Leipzig, wo ich auch geboren wurde. Aber im Juli 1943 sind wir nach Rumänien gebracht worden, weil wir rumänische Staatsbürger waren. Das hatte die Gestapo organisiert.

Erst kamen wir in ein Lager. Später sollten alle Juden nach Transnistrien geschickt werden, ich musste dann aber nicht dahin. Weil ich einmal nicht zur Zwangsarbeit gekommen bin, hat man mich angeklagt. Ich hatte große Angst.

1944 ist das Städtchen an der Donau, wo wir damals wohnten, bombardiert worden. Die Deutschen verschwanden. Am dritten Tag kamen die Sowjets. Zu Fuß.

Ein Jahr später haben sie mich festgenommen, weil man glaubte, ich wäre kein Jude, sondern ein Hitlerjunge. 1946 bin ich mit dem Schiff „Max Nordau“ nach Palästina gekommen. Die Briten haben mich dort zunächst als illegalen Einwanderer interniert. Später ging ich nach Haifa.

Ich war später zweimal in Leipzig. Als ich aus dem Hauptbahnhof heraustrat, habe ich gewusst, wo ich bin. Ich habe dort in drei Schulen mit deutschen Jugendlichen gesprochen. Die haben überhaupt nichts gewusst.

NOTIERT VON KLAUS HILLENBRAND

■ Hans Grunich, 1926 in Leipzig geboren, lebt in einem Altersheim bei Tel Aviv und spricht Hebräisch mit sächsischem Akzent. Einer seiner Brüder wurde im Holocaust ermordet