Aufregung um Stundenzettel

BÜROKRATIE Die Hochschulkanzler sind empört: Wegen des Mindestlohns müssen studentische Tutoren Anfang, Pause und Ende jeder Tätigkeit protokollieren. An einigen Unis war das schon immer üblich

Der wöchentliche Griff zum Stift ist Pflicht. Seit der Einführung des Mindestlohns Anfang Januar 2015 müssen studentische Hilfskräfte und Tutoren Anfangszeit, Pausen und Endzeit ihrer Tätigkeit protokollieren. Im Gegenzug erhalten sie mindestens 8,50 Euro in der Stunde. Der Arbeitgeber, die Hochschule, muss fortlaufend die abgegebenen Stundenzettel kontrollieren und ist dazu verpflichtet, diese zwei Jahre lang aufzubewahren.

Die Arbeitsgemeinschaft der Hochschulkanzler sieht darin einen unverhältnismäßig hohen Aufwand und fordert eine „unbürokratische Ausnahmeregelung“ für die Lehrstätten. Immerhin sei auch Bayerns Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU) den Wiesnwirten mit einer Lockerung der Dokumentationspflicht entgegengekommen. „Wiesnwirte dürfen nicht wichtiger sein als Hochschulen“, findet Bernd Klöver, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft und Kanzler der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Die gesetzlichen Vorgaben würden für Studierende und Verwaltung einen enormen zeitlichen Mehraufwand bedeuten. Zusätzlich bestehe die Gefahr, dass die „Dokumentationspflichten zulasten wichtiger Aufgaben wie der Vor- und Nachbereitung von Tutorien“ gehen, betont Klöver. Es sei ein „bürokratisches Monster“ geschaffen worden.

Der Kanzler der HAW ist mit seinen Befürchtungen nicht allein. Auch an der Leibniz Universität in Hannover wird die verpflichtende Einführung von Stundenzetteln mit Sorge gesehen. Der erhebliche Mehraufwand in der Verwaltung könnte dazu führen, dass „es in Zukunft weniger Möglichkeiten für den Einsatz von studentischen Arbeitskräften an den niedersächsischen Hochschulen geben wird“, warnt Pressesprecherin Mechtild von Münchhausen. Moritz Lamparter, Vorstand des Asta der Universität Hamburg, kann die Aufregung hingegen nicht nachvollziehen: An seiner Hochschule mussten studentische Hilfskräfte bereits vor Einführung des Mindestlohns einen Stundenzettel ausfüllen, es habe sich kaum etwas geändert, berichtet er. Von Beschwerden über die Dokumentationspflicht habe er nichts gehört.

Die Studierenden hätten ganz andere Probleme. Zum Beispiel sei der Mindestlohn so gering, dass er nicht zum Leben reiche, findet der Asta-Vorstand. Studentin Franziska Mysegades teilt diese Auffassung. Sie hat bis Ende März an der Hamburger Uni als Tutorin gearbeitet. Sie sei zwar darüber informiert worden, dass es eine Änderung gebe, habe aber „letztendlich davon nichts mitbekommen“.

Die Hamburger Wissenschaftsbehörde reagiert verhalten auf die Befürchtungen. Man werde die Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf Hamburgs Hochschulen untersuchen und „prüfen, wie damit umzugehen sein wird“, sagt Pressesprecher Alexander von Vogel. Auch an den Universitäten in Bremen und Lüneburg ist die Dokumentationspflicht kein Aufregerthema. Für studentische Hilfskräfte und Tutoren hat sich kaum etwas geändert: Bereits vor der Einführung des Mindestlohns war für sie der wöchentliche Griff zum Stift Pflicht.  SOPHIA LIEBIG