Ran an die jungen Menschen

ARBEITSMARKT Nirgendwo in Deutschland ist die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen höher als in Berlin. Senatorin Kolat (SPD) will mit den neuen Jugendberufsagenturen die Beratung verbessern und erreichen, dass mehr junge Menschen eine Ausbildung beenden

■ Die Berliner Wirtschaftsleistung ist auch 2014 überdurchschnittlich stark gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt legte um 2,2 Prozent zu, was das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Mittwoch unter anderem auf den Bauboom zurückführte. Bundesweit stieg der Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen 2014 um 1,6 Prozent. „Der starke Zuwachs im Baugewerbe ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass in der Stadt bereits der ‚13. Bezirk‘ im Entstehen ist“, bemerkten die hiesigen Unternehmensverbände. (dpa)

Senat und Bezirke wollen ab Herbst sogenannte Jugendberufsagenturen starten. Damit wollen sie erreichen, dass mehr Jugendliche eine Ausbildung abschließen. Diese Anlaufstellen sollen Angebote von Jobcenter, Schule und Arbeitsagentur unter einem Dach zusammenfassen. Ziel ist es, die Jugendlichen individuell zu beraten und sie möglicherweise auch zu besuchen, um in Kontakt zu kommen. Qualifizierungsmöglichkeiten sollen geklärt und die jungen Leute – wenn es Schwierigkeiten gibt – bis zum Abschluss einer Ausbildung begleitet werden.

„Wir müssen jeden einzelnen Jugendlichen erreichen. Keiner darf im System verloren gehen“, sagte Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) am Mittwoch bei einem Pressegespräch. Ab Oktober nehmen die Einrichtungen zunächst in Tempelhof-Schöneberg, Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-Hellersdorf und Spandau ihre Arbeit auf. 2016 soll es die Jugendberufsagenturen in ganz Berlin geben.

Was die Arbeitslosigkeit insgesamt betrifft, liegt die Stadt inzwischen an drittletzter Stelle vor Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Bei Arbeitslosen zwischen 15 und 25 Jahren hat Berlin aber mit 10,4 Prozent nach wie vor die rote Laterne. Der bundesweite Schnitt beträgt 5,5 Prozent. Doch Berlin holt auf: Abgesehen von saisonalen Schwankungen sinken die Zahlen hierzulande seit Jahren, und zwar stärker als anderswo: Im März 2012 waren mit 14 Prozent noch deutlich mehr Jugendliche ohne Job als heute.

Laut Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist die abnehmende Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland weniger auf strukturelle Verbesserungen zurückzuführen denn auf den demografischen Wandel: „Der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit hängt vor allem mit der schrumpfenden Zahl der Jugendlichen zusammen.“ Nach wie vor gebe es große regionale Unterschiede: Besonders schlecht seien die Beschäftigungschancen und die betrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten der Jugend in Berlin.

Ziele bisher verfehlt

Auch Kolat sieht hier Probleme. „Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist nach wie vor eines der zentralen politischen Themen des Senats.“ Neben den Jugendberufsagenturen stellte die Senatorin Projekte vor, die etwa bei der Berufsorientierung helfen sollen. Auch halte sie mehr Flexibilität beim Einstieg in den Beruf für wichtig: Wer mit Mitte 20 eine Ausbildung beginnen wolle, müsse dazu die Möglichkeit bekommen. 2012 hatte sich Kolat das Ziel gesetzt, die Jugendarbeitslosenquote unter 10 Prozent zu drücken – was bislang erst für ein paar Monate gelang. ANTJE LANG-LENDORFF