Metzeln und Niederbrennen vor dem Abzug

NIGERIA Im Norden Nigerias sind Hunderte Leichen gefunden worden. Die Terrormiliz Boko Haram greift immer öfter dort brutal Zivilisten an, wo sie selbst die Kontrolle über ein Gebiet zu verlieren droht

COTONOU taz | Im Ort Damasak im Norden Nigerias kurz vor der Grenze zum Nachbarland Niger haben Behördenmitarbeiter in den vergangenen Tagen mehrere hundert Leichen gefunden und sie in 20 Massengräbern bestatten lassen. Einige der Opfer lagen an den Straßenrändern und im Flussbett, andere wurden in ihren Häusern umgebracht. Die meisten waren Frauen und Kinder, berichten mehrere nigerianische Tageszeitungen.

Es könnte eine der jüngsten großen und brutalen Taten der Terrorgruppe Boko Haram gewesen sein. Handfeste Beweise, dass die nigerianische Terrormiliz für das Massaker verantwortlich ist, gibt es derzeit noch nicht. Vieles deutet aber daraufhin. Damasak im Bundesstaat Borno war über Monate von den Terroristen besetzt und wurde am 9. März von nigerianischen und tschadischen Truppen befreit. Schon damals wurden gut hundert Leichen in einem Massengrab gefunden. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Terroristen kurz vor ihrer Flucht noch einmal sehr grausam vorgingen.

Auf die Region rund um Damasak hatten sie es offenbar im besonderen Maße abgesehen. Ebenfalls im März wurden 350 bis 500 Frauen und Kinder gekidnappt. Ob die am Wochenende entdeckten Leichen nun jene der Entführungsopfer sind, darüber herrscht jedoch noch Uneinigkeit. Einige Augenzeugen – so berichtet die Tageszeitung Daily Trust – halten das für sehr wahrscheinlich, Behördenvertreter und Politiker dementieren.

Entdeckt hatten die Leichen Mitarbeiter einer neuen staatlichen Kommission, die der Gouverneur von Borno, Kashim Shettima, ins Leben gerufen hat. Diese will künftig Orte besuchen, die von Boko Haram besetzt oder in großem Maße zerstört wurden, bevor ihre Bewohner zurückkehren. Damit soll erreicht werden, dass die Rückkehr sicherer wird.

Genau das gilt in Nordnigeria noch als großes Problem. Offiziell ist Boko Haram zwar mittlerweile aus vielen Orten vertrieben worden. Trotzdem kommt es weiterhin zu Anschlägen. So sind im Bundesstaat Yobe am Wochenende offenbar 21 Menschen ums Leben gekommen. Sie wollten ihren Heimatort besuchen und den noch dort Lebenden Nahrungsmittel bringen, wurden aber auf dem Weg dorthin von mutmaßlichen Terroristen überfallen und ermordet.

Dass die Rückkehr auch Gefahren birgt, hat auch die staatliche Nothilfeagentur NEMA betont. Sie fordert eine kontrollierte Rückkehr und eine Unterstützung für die Binnenflüchtlinge.

KATRIN GÄNSLER