Vollkommen überforderte Behörden

LAGE Die Wut über die mangelnde Koordination wächst

NEU-DELHI taz | Drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal spitzt sich die Lage in dem kleinen Gebirgsstaat zu. Premierminister Sushil Koirala warnt, die Zahl der Toten könne auf mehr als 10.000 ansteigen. Zudem gebe es mehr als 8.000 Verletzte. Koirala betonte, sein Land benötige nun dringend Hilfe aus dem Ausland, vor allem Zelte und Medikamente.

Am Mount Everest konnten inzwischen fast alle festsitzenden Bergsteiger ins Tal geflogen worden. Bislang seien 205 gerettet worden, so ein örtlicher Polizeisprecher. Zudem erreichen erste Rettungsteams Ortschaften und Dörfer außerhalb der Hauptstadt. Aus Gorkha berichten Helfer, ganze Dörfer seien einfach verschwunden. Vor dem Beben lebten in der besonders stark betroffenen Region an der Grenze zu China rund 300.000 Menschen.

Unterdessen haben nach Angaben des nepalesischen Transportministeriums mehr als eine Viertelmillion Menschen Kathmandu auf der Suche nach Wasser und Nahrung verlassen. Viele Überlebende werden zunehmend wütend auf die mangelnde Vorbereitung und Koordination der Behörden. Sie klagen, dass Hilfsgüter nicht gleichmäßig verteilt würden.

Überall fehlt Strom

Felix Neuhaus, Nothilfekoordinator von AWO International in Kathmandu, kann den Ärger verstehen. „Auch ich bin überrascht. Seit Tagen habe ich kaum einen Beamten auf der Straße gesehen. Der Staat ist vollkommen überfordert.“ Die Stromversorgung sei fast völlig zusammengebrochen und es fehle an Benzin, um zumindest Generatoren betreiben zu können. Alle großen Geschäfte und Banken seien geschlossen. „Viele Menschen versuchen, in ihre Heimatdörfer zu kommen, um nach ihren Familien zu schauen.“

Derweil stößt der einzige internationale Flughafen des Landes an die Grenzen seiner Kapazität. Mehrere Maschinen mit Hilfsgütern und Helfern mussten am Vortag umkehren. Auch das Deutsche Rote Kreuz musste seinen bereits für den Montagabend geplanten Hilfsflug nach Nepal abermals verschieben. Der Luftraum sei zu voll. An Bord der Maschine sind 60 Tonnen Hilfsgüter im Wert von 670.000 Euro, darunter Zelte, Decken und Hygienepakete. Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen versuchen deshalb, zusätzlich Rettungsteams über den Landweg in die betroffenen Gebiete zu schicken. Doch allein von Indiens Hauptstadt Delhi aus dauert diese Reise drei bis fünf Tage.

Die nepalesische Regierung hat inzwischen öffentlich eingestanden, trotz zahlreicher Warnungen vor einem bevorstehenden großen Beben nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. „Wir haben nicht genügend Mittel, und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen“, erklärte Innenminister Bam Dev Gautam am Dienstag. RAD