Medienmacher als Brückenbauer

DIALOG Journalisten aus Armenien und Türkei pflegen mittlerweile einen regen Austausch

VON LEVON MARGARYAN (JEREWAN)

Nach der Unterzeichnung eines Abkommens am 10. Oktober 2009 in Zürich durch die Außenminister Armeniens und der Türkei hat sich in den Beziehungen beider Länder viel verändert. Das Abkommen wurde von den Parlamenten nicht verabschiedet, die Grenze ist immer noch geschlossen, doch die politische Agenda ist jetzt eine andere.

Das betrifft nicht nur die Politik, sondern die Gesellschaft insgesamt und dabei besonders die Medien. Auf der Webseite der Hrant Dink Stiftung ist viel zu den türkisch-armenischen Beziehungen zu finden – beispielsweise zahlreiche Austauschprogramme für Journalisten und Vertreter anderer Berufsgruppen aus beiden Ländern

Aus Anlass eines Fußballqualifikationsspiels zwischen der Türkei und Armenien organisierten die Stiftungen Eurasia und Hrant Dink im Oktober 2009 für armenische Journalisten einen Besuch in der türkischen Stadt Bursa. Zwei Monate später lud Eurasia türkische Journalisten zu einer Reise nach Armenien ein. Laut offiziellen Aussagen will die Europäische Union den Normalisierungsprozess zwischen Armenien und der Türkei fördern. 2014 rief die EU ein Konsortium ins Leben, in dem vier armenische und vier türkische Organisationen vertreten sind. Dieses Konsortium soll als Plattform dienen, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu entwickeln – durch Vergabe von Stipendien oder Praktika.

Am 23. April vergangenen Jahres sprach der damalige türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan den Familien von mehr als einer Millionen im Ersten Weltkrieg getöteter Armenier sein Mitgefühl aus. Das klang für viele Armenier zynisch. Dennoch war das ein Fortschritt. Dabei geht es nicht um den Inhalt des Dialogs an sich, sondern um den Umstand, dass dieser überhaupt stattfindet.

Die vorläufig letzten Erklärungen zu den armenisch-türkischen Beziehungen war ein Briefwechsel zwischen den beiden Präsidenten. So lud der armenische Präsident Sersch Sargsjan Erdogan zu den Gedenkfeiern am 24. April nach Armenien ein. Erdogan wiederum lud seinen armenischen Amtskollegen zu einer Zeremonie am selben Tag in Gallipoli ein.

Bei einem Medienforum vor einigen Wochen in Armenien fragte ein türkischer Journalist den armenischen Präsidenten, warum das Züricher Abkommen von der Tagesordnung des Jerewaner Parlaments abgesetzt worden sei. Der Präsident antwortete, dass das Abkommen noch nicht endgültig vom Tisch und der Prozess einer Normalisierung nicht zu Ende sei.

Auf politischer Ebene ist der Dialog brüchig. Doch es ist sehr wichtig, ihn weiterzuführen. Gleichzeitig gibt es eine aktive Kommunikation zwischen den Medien beider Länder. Die Panter Stiftung hat ein Seminar für türkische und armenische Journalisten durchgeführt. Die Hrant Dink Stiftung organisiert derzeit ein ähnliches Programm in der Türkei. So schleppend der politische Dialog ist, so wichtig sind die Journalisten und die Zivilgesellschaft für die türkisch-armenischen Beziehungen.

Diese Brücken haben viel in den beiderseitigen Beziehungen verändert. In Armenien hat sich die Rhetorik gegenüber den Türken und der Türkei gewandelt. Alte Stereotype wie „Ein Türke bleibt ein Türke“, waren und sind in der armenischen Gesellschaft sehr populär. Nach dem Züricher Abkommen sind solche Stereotypen aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden.

Man kann nicht sicher sagen, ob die armenische Gesellschaft auf den Dialog vorbereitet ist, wohl aber, dass sie nicht dagegen ist. Dieser Dialog begann nach der Ermordung von Hrant Dink 2007. Da wurden Fragen aufgeworfen, wie: Was ist am Anfang des letzten Jahrhunderts passiert, nennen wir das einen Genozid und können wir überhaupt darüber sprechen?

Hrant Dink war ein armenischer Journalist, der in der Türkei lebte und arbeitete. Im Kontext der türkisch-armenischen Beziehungen und dessen, was Medien verändern können, bleibt sein Name von hoher Symbolkraft.