CHRISTIAN RATH ÜBER DEN NEUEN NSA-SKANDAL
: Massenspionage

Dieser Skandal dürfte das Merkel-Handygate weit in den Schatten stellen, wenn stimmt, was Spiegel Online meldet. Die NSA soll rund 40.000 „Selektoren“ (Telefonnummern, IP-Adressen) in die Auslandsüberwachung des BND eingeschleust haben – um damit deutsche und andere westeuropäische Unternehmen sowie Politiker zu überwachen. Als die NSA das Handy der Kanzlerin überwachte, war das punktuelle Spionage unter Freunden. Das hier wäre Massenspionage unter Freunden.

Das mutmaßliche Manöver wirkt aus zwei Gründen besonders dreist: Zum einen nutzte die NSA wohl den gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus, um die antieuropäischen Selektoren zu liefern. Ständig hören wir, dass Europa die NSA als Partner gegen die Dschihadisten brauche, und dann nutzen die Amerikaner gerade diese Zusammenarbeit zur Wirtschaftsspionage gegen Europa.

Zum Zweiten wäre es geradezu tollkühn, den BND zu benutzen, um die europäische Wirtschaft auszuforschen. Die NSA hätte sich gar nicht die Hände schmutzig machen müssen, die zu überwachenden Freunde überwachen sich jetzt einfach selbst.

Offen ist freilich noch, wie erfolgreich das Manöver war. Ob die Treffer, die mit Hilfe der Selektoren erzeugt wurden, automatisch und ungefiltert an die NSA weitergeleitet wurden.

Aber selbst wenn der BND misstrauisch war und nicht alle Erkenntnisse auch an die USA lieferte, so scheint er doch völlig darauf verzichtet zu haben, die Bundesregierung zu informieren. Das wäre innenpolitisch der größte Skandal. Ein Geheimdienst, der der eigenen Regierung verheimlicht, dass die eigene Wirtschaft, das eigene Land von einem befreundeten Dienst systematisch ausgeforscht wird, ist – um es höflich zu formulieren – nicht sehr nützlich.

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