IM WETTBEWERB UM ARBEIT GEHT ES ERSTAUNLICH WENIG UM LEISTUNG
: In Größe 40 nach oben

Die jüngste Umfrage zum Thema Körper und Erfolg wurde gestern im Handelsblatt veröffentlicht. Danach ist das Aussehen für den Erfolg einer Frau durchaus wichtig. „Ab Kleidergröße 38 aufwärts haben es Frauen im Job sehr schwer“, wird eine Personalberaterin zitiert. So, so. Bevor sich Frauen mit Kleidergröße 40 (also gutem Durchschnitt) aus dem Fenster stürzen, können sie sich aber mit entsprechenden Studien über Männer trösten.

Wer von den Männern unter 1,80 Meter groß ist, hat angeblich schlechtere Verdienstchancen als die hochgewachseneren Geschlechtsgenossen, ermittelten Londoner Sozialforscher. Rothaarige Männer sollen es ebenfalls schwerer haben, allerdings nicht so schwer wie Kahlköpfige, die man seltener zum Bewerbungsgespräch lädt. Und was die Stimme betrifft: Wer auf zu vielen unterschiedlichen Tonhöhen spricht, wird im Job oft nicht ernst genommen. Außerdem: Vorsicht mit Parfüm! So weit der hier nur unvollständig wiedergegebene aktuelle Stand der Forschung.

Diese „Studienergebnisse“ von Sozialforschern zu den Erfolgsgeheimnissen der Gewinner sind aber nicht nur amüsant zu lesen. Dahinter steckt etwas Ernstes, eine Unsicherheit, die heute die Jobwelt prägt. Die Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt ist heftiger geworden, die meisten Erwerbstätigen müssen damit rechnen, sich mehrmals in ihrem Leben neu verkaufen zu müssen. Deswegen haben Styling-, Stimm- und Kommunikationstrainer Konjunktur. In diesem verschärften Wettbewerb zwischen den Individuen geht es erstaunlich wenig um Leistung, er hat etwas Virtuelles. Langzeiterwerbslose beschleicht nach dem x-ten „Bewerbungstraining“ oftmals ein Gefühl von Sinnlosigkeit. Sie wissen, dass sie danach nur mit anderen Joblosen konkurrieren, die genau die gleichen Stylingtipps bekommen haben.

Die zunehmende Katalogisierung von „Gewinnern“ und deren „Erfolgskriterien“ hat also mit der Produktivität einer Leistungsgesellschaft nicht mehr viel zu tun. Sie ist vielmehr Ausdruck einer allgemeinen Unterbeschäftigung. Und das immerhin sollte doch beruhigen. BARBARA DRIBBUSCH