Granatwerfer auf dem Eselskarren

Das irakische Ölministerium und von Ausländern bewohnte Hotels in Bagdad wurden mit Raketen und Granaten beschossen. Alle Ziele haben eine hohe strategische oder symbolische Bedeutung und garantieren größtmögliche Medienwirksamkeit

von KARIM EL-GAWHARY

Der Fastenmonat Ramadan in Bagdad geht ebenso spektakulär zu Ende, wie er mit dem blutigen Attentat auf das Rotkreuzgebäude und fünf irakische Polizeistationen begonnen hatte. Mit drei offensichtlich koordinierten Anschlägen versuchten Unbekannte gestern das Szenario zu wiederholen. Zunächst wurden in den frühen Morgenstunden die beiden von ausländischen Journalisten, Geschäftsleuten und US-Militärs bewohnten Hotels „Palestine“ und „Sheraton“ mit mehreren Raketen beschossen. Beide nebeneinanderliegenden, schwer bewachten und mit Betonmauern umgebenen Hotels wurden in den oberen Stockwerken getroffen. Eine weitere Rakete brachte Teile des Sheraton-Foyer-Dachs zum Einsturz. Mindestens ein US-amerikanischer Geschäftsmann wurde dabei schwer verletzt.

Fast zeitgleich schlugen acht Raketen im irakischen Ölministerium ein, von denen allerdings nur zwei explodierten. Das darauf ausgebrochene Feuer konnte schnell unter Kontrolle gebracht werden. Bei beiden Anschlägen wurden kurz darauf auf einer benachbarten Straße Eselskarren sichergestellt, auf denen ein unter Lebensmitteln versteckter Raketenwerfer montiert war. Kurz darauf entdeckten irakische Polizisten noch zwei ähnlich präparierte Karren in der Nähe der italienischen Botschaft, mit insgesamt 52 Geschossen, die durch einen mit einer Autobatterie verbundenen Zeitzünder abgefeuert werden sollten.

Wenngleich die Opferzahl nicht so spektakulär war wie zu Beginn des Ramadan, so ist es der Einfallsreichtum der Attentäter umso mehr. Die Eselskarren zeigten, wie vielfältig die Angriffsarten seien, erklärte ein US-Militärsprecher in Bagdad. „Niemand denkt daran, dass ein solcher Karren zum Abschuss von Raketen dienen könnte“, führte er weiter aus. Damit sei das Überraschungsmoment eindeutig auf Seiten der Angreifer gewesen.

Alle drei Ziele waren strategisch ausgesucht. Der Beschuss der Hotels voller Journalisten garantiert eine große Medienwirksamkeit. Schon seit Wochen wurde über einen bevorstehenden Angriff auf die Hotels spekuliert, vor allem nachdem vor einem Monat auf das Raschid-Hotel, in dem damals der US-Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz residierte, ein ähnlicher Anschlag verübt worden war. Das Ölministerium hat als Zielscheibe einen hohen symbolischen Charakter. Laut einer Gallup-Meinungsumfrage glauben 43 Prozent der Bagdader, dass die US-Amerikaner den Irakkrieg nur begonnen haben, um „das Öl zu stehlen“. Ein Gefühl, das bereits in den ersten Tagen nach dem Krieg bestärkt worden war, da das Ölministerium das einzige staatliche Gebäude war, dass unmittelbar nach Einmarsch in Bagdad von US-Truppen geschützt und bewacht worden war. Damit war es das einzige Ministerium, dass nicht geplündert und angezündet worden ist. Für den Wiederaufbau des Landes, dessen Wirtschaft zum größten Teil vom Ölexport abhängt, gilt es als Schlüsselinstitution. Außerdem sind die meisten anderen Ministerien, deren Gebäude bis heute noch nicht funktionsfähig sind, übergangsweise im Ölministerium untergebracht.

Bei diesem Anschlag ging es wohl hauptsächlich um die Signalwirkung, mit dem Vorsatz, irakische Opfer zu verhindern. Am Freitag, dem muslimischen Feiertag, war der von US-Truppen schwer bewachte Komplex praktisch leer. Zumindest die Ölmärkte reagierten sofort. Der Preis für ein Barrel Öl der Sorte Brent in London stieg gestern um 32 Cent auf 29,88 Dollar.

Die koordinierten Anschläge zeigen auch, dass die vor einer Woche begonnene US-Gegenoffensive kaum zu spürbaren Ergebnissen geführt hat. Tausende von Patrouillen, Dutzende von Razzien und Luftangriffe gegen angebliche Guerillastellungen und -trainingslager haben die gestrigen Anschläge nicht verhindern können. Deren Botschaft ist klar: wir sind noch da und wir können zuschlagen, wann und wo immer wir wollen.