Gratiszeitungen rechtlich unbedenklich

BGH verneint im von Springer und DuMont angestrengten Prozess Wettbewerbsverzerrung durch Umsonstblätter. Das letzte deutsche gab vorerst im Sommer 2001 auf, in den europäischen Nachbarländern läuft das Geschäft gut

KARLSRUHE taz ■ Das Verschenken von Zeitungen ist zulässig. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil. Damit ist der juristische Streit über so genannte Gratiszeitungen vorerst abgeschlossen. Das BGH-Verfahren bewegte sich ohnehin im theoretischen Raum: Tägliche Umsonstblätter gibt es – anders alsbeispielsweise in der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und Skandinavien – in Deutschland derzeit gar nicht. Nun können die Verlage überlegen, ob sie neue Anläufe unternehmen.

Zwei Fälle wurden gestern entschieden. In Freiburg ließ Michael Zäh ab 1997 die anspruchsvolle, aber kostenlose Zeitung zum Sonntag (ZuS) an alle Haushalte verteilen. Springer sah Gefahr für seine Blätter Bild am Sonntag sowie Welt am Sonntag und klagte. Die Zus ging 2001 Pleite, als Zäh das Projekt zur (bezahlten) Tageszeitung erweitern wollte.

Beim „Kölner Zeitungskrieg“ brachte im Dezember 1999 der norwegische Verlag Schibsted sein Blatt 20 Minuten Köln auf den Markt. Es wurde gratis verteilt und im öffentlichen Nahverkehr ausgelegt, Startauflage: 155.000 Exemplare. Die Konkurrenten Springer und DuMont-Schauberg (Bild, Express, Kölner Stadt-Anzeiger) klagten nicht nur gegen Schibsted, sondern versuchten dem Verlag auch ökonomisch einen Strich durch die Rechnung zu machen. Mit eigenen Gratisblättern für den Raum Köln zogen sie Leser und Anzeigenvolumen ab. Im Juli 2001 gab Schibsted das stark defizitäre Projekt vorerst auf.

Die Klagen gegen ZuS und 20 Minuten waren schon in den unteren Instanzen gescheitert. Dennoch wollten DuMont und Springer eine grundsätzliche Klärung. In Karlsruhe argumentierten sie nur noch mit abstrakten Gefahren für eine publizistisch orientierte Presselandschaft. Sie wagten den Gang zum BGH wohl nur, weil dieser 1996 in einem ähnlichen Prozess gegen die Gratisverteilung von Zeitungen geurteilt hatte.

Doch diesmal kam es anders. Die obersten Zivilrichter haben keine Bedenken dagegen, eine Zeitung nur über Anzeigen zu finanzieren. Dass es dabei vor allem zu Nachteilen für Kaufzeitungen kommen könne, hält der BGH für kein Problem. „Im Geschäftsleben hat niemand Anspruch auf einen unveränderten Erhalt seines Kundenkreises“, so der Vorsitzende Richter Eike Ullmann. Auch die völlige Abhängigkeit eines Verlags von Anzeigenkunden sei o. k.: Schließlich würden ja auch die kostenpflichtigen Zeitungen überwiegend vom Anzeigenverkauf leben.

CHRISTIAN RATH

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