Angstmache vor Volksentscheid

SCHWEIZ Abstimmung über das Verbot von Rüstungsexporten: Wirtschaft warnt vor Jobverlusten. Weiteres Referendum über Verbot von Minaretten könnte Erfolg haben

Schweizer Bundesrat wendet eigene Rüstungsexportbestimmungen nicht an

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Nach monatelangen heftigen und emotionsgeladenen Debatten entscheiden die Eidgenossen am Sonntag über das Verbot von Rüstungsexporten und von Minarettbauten.

Bei der Ausfuhr von Kriegsmaterial sind die 7,2 Millionen SchweizerInnen 2008 zum Vizeweltmeister aufgestiegen. Nur Israel exportiert pro Kopf der Bevölkerung mehr Waffen und Munition. Von der Innerschweizer Firma Pilatus gelieferte Flugzeuge werden in internen Konflikten zahlreicher Ländern von Regierungen gegen die eigenen Bevölkerungen eingesetzt. Gewehre und Pistolen des staatseigenen Rüstungsunternehmens Ruag landeten in den Händen von Kindersoldaten in Indien. Die Zürcher Rheinmetall Air Defence AG, eine Tochter des gleichnamigen Düsseldorfer Rüstungskonzerns, liefert Luftabwehrsysteme an die in Afghanistan kämpfenden Truppen Deutschlands und anderer Nato-Staaten.

95 Prozent aller Schweizer Rüstungsexporte der Vergangenheit hätten gegen Ausfuhrrestriktionen verstoßen, welche die Berner Regierung (Bundesrat) letztes Jahr beschloss, um die wachsende Kritik an den steigenden Rüstungsexporten zu beschwichtigen. Diese Bestimmungen verbieten den Verkauf an Länder, „die in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sind“.

Doch der Bundesrat setzt die neuen Bestimmungen nicht um. Deshalb initiierte die „Gruppe Schweiz ohne Armee“ den Volksentscheid für ein vollständiges Verbot der Kriegsmaterialausfuhr. Unterstützt wird sie von den Sozialdemokraten, den Grünen, einigen Gewerkschaften sowie den kirchlichen Hilfswerken. Der Initiativtext fordert für die nächsten zehn Jahre massive öffentliche Investitionen zur Rüstungskonversion und zur Schaffung ziviler Arbeitsplätze an den Standorten der vier Schweizer Rüstungsunternehmen.

Dennoch konzentrierten die Gegner der Initiative – alle bürgerlichen Parteien, der Arbeitgeberverband und diverse Wirtschaftsverbände – ihre von der Rüstungsindustrie finanzierte Kampagne auf die Drohung mit dem Verlust nicht nur aller 5.100 Arbeitsplätze in den vier Rüstungsunternehmen, sondern auch von weiteren 5.000 Jobs in Zulieferbetrieben. Wegen dieser Angstkampagne wird die Volksinitiative nach letzten Prognosen wahrscheinlich nur einen Achtungserfolg von maximal 40 Prozent der Stimmen erzielen.

Eine reine Angstkampagne ist auch die von der rechtspopulistischen Volkspartei (SVP) des ehemaligen Bundesrates Christoph Blocher lancierte Initiative für ein Verbot des Baus von Minaretten. Sie wirbt landesweit mit düsteren Plakaten, auf denen überdimensionale Minarette wie Raketen in den Himmel stoßen. Die Plakate wurden sowohl von der Eidgenössischen Kommission zur Rassismusbekämpfung wie vom UNO-Menschenrechtsrat in Genf scharf kritisiert. Sprecher der Kampagne kündigten an, im Erfolgsfall eine weitere Initiative zum Verbot von Moscheen und islamischen Kulturzentren in der Schweiz starten zu wollen. Obwohl die Initiative gegen Minarette von allen anderen Parteien des Bundesparlaments, von der Regierung, sämtlichen Kirchen, dem Arbeitgeberverband, dem Gewerkschaftsbund und allen Wirtschaftsverbänden abgelehnt wird, galt eine zumindest hauchdünne Mehrheit der Stimmberechtigten zuletzt nicht mehr als völlig ausgeschlossen. Um angenommen zu werden, müsste allerdings auch eine Mehrheit in mindestens der Hälfte der 26 Kantone erreicht werden.