Kompromiss ohne befriedende Wirkung

ÄRZTE Ein Schiedsrichter hat im Streit um den „Hausarzt-Vertrag“ entschieden. Der soll Patientenversorgung billiger und besser machen. Doch die AOK will klagen. Auch von Seiten der Ärzte gibt es Kritik

Laut Gesetz waren Kassen wie Ärzteschaft verpflichtet, sich bis zum 30. Juni 2008 auf Verträge zur Hausarzt-zentrierten Versorgung zu einigen. Dennoch sind bis heute bundesweit noch mehr als 1.600 Schiedsverfahren offen. Der jetzige Spruch betrifft in Bremen nur die AOK. Die übrigen Kassen unterliegen dem Schiedsverfahren des Bundesversicherungsamtes.

■ In der Debatte kursieren zwei Modelle: Eines aus Bayern, wo die Ärzte deutliche Honorarerhöhungen durchsetzen konnten. Und eines aus Baden-Württemberg, das wie das Bremer auf „Kontaktpauschalen“ baut und auch qualitätsorientierte Anreize enthält. mnz

Es sollte der Schlussstrich unter einen lange währenden Streit sein. Doch nicht jeder ist mit dem Kompromiss um die so genannten „Hausarzt-Verträge“ zufrieden. Gesprochen hat ihn Ex-Gesundheitsstaatsrat Arnold Knigge – als staatlich bestellter Schiedsrichter.

In dem Konflikt geht es grundsätzlich um die Stärkung der Allgemeinmediziner – zu Ungunsten der Fachärzte. Um die Ausgaben im Gesundheitswesen – für Arzneimittel ebenso wie für Honorare. Nicht zuletzt aber auch um die Macht im Gesundheitswesen. Konkreter Gegenstand der Auseinandersetzung sind die Modalitäten eines Vertrages, mit dem sich AOK-Versicherte in Bremen ein Jahr lang an ihren Allgemeinarzt oder Hausarztinternisten binden können.

Wer ihn unterschreibt, dem wird als Patient von Seiten der Mediziner mehr Zeit und Ruhe versprochen, zugleich eine bevorzugte Behandlung bei der Terminvergabe, insbesondere in als „dringend“ deklarierten Fällen. Außerdem koordiniert der Hausarzt dann alle Arzt-Patienten-Kontakte – mit dem Ziel sie einzudämmen. Denn sie sind in Deutschland besonders hoch: Im Schnitt gehen die Leute 18 Mal im Jahr zum Arzt. „Das ist irrsinnig viel“, findet der Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske.

Der Arzt bekommt dafür im Gegenzug, so sieht es das Bremer Modell vor, eine Kontakt-unabhängige Pauschale von 60 Euro im Jahr – ganz egal, ob der AOK-Kunde zum Arzt geht oder nicht. Und genau hier setzt die Kritik der AOK an. „Für die Hausärzte heißt das konkret: weniger arbeiten, aber mehr verdienen“, kritisiert der AOK-Vorstandsvorsitzende Norbert Kaufhold, denn die Ärzte bekämen dann auch Geld von jenen, die sie gar nicht brauchen. Dabei sei das Honorar bei den Bremer Hausärzten allein 2009 um „über zehn Prozent“ gestiegen, so die AOK. Jetzt will sie gegen den Schiedsspruch Klage einlegen. In Bremen vertritt sie 160.000 Mitglieder.

Auch in der Ärzteschaft ist nicht jeder glücklich mit dem vorliegenden Ergebnis – auch wenn der Bremer Hausärzteverbandes offiziell „Zufriedenheit“ bekundet, Verbesserungen besonders für chronisch Kranke sieht. Und lobt, dass der eigene Beruf jetzt wieder attraktiver werde, die Praxen in ihrer Existenz sicherer seien.

Günther Egidi, Vorsitzender der Akademie für hausärztliche Fortbildung Bremen, ist von dem Schiedsspruch „nicht begeistert“. Besonders „schmerzlich“ findet Egidi, dass das Bremer Modell auf Erwachsene beschränkt ist, also Kinder und Jugendliche ausnimmt. Hintergrund ist die Konkurrenz zwischen Haus- und Kinderärzten um die Behandlung besonders der Jugendlichen. Egidi empfiehlt einen Wechsel zu einer jener Kassen, die anders als die AOK auf die Praxisgebühr verzichten. „Die gehört ohnehin abgeschafft“, sagt Egidi. Die AOK hingegen verweist auf ihren alten seit 2007 existenten Hausarzt-Vertrag, in dem 43.000 Versicherte eingeschrieben sind. mnz