Weihnachten in Doodaladoo

KARTOFFELSALAT UND KRIPPENSPIEL Feiern Promis das heilige Familienfest anders als normale Menschen? Lesen Sie, was bei Tori Amos unterm Christbaum liegt, was der Bassist dazu sagt und was Joseph mit Maria hat

VON ULI HANNEMANN

„Und wir wollen jetzt von Ihnen wissen, liebe Hörer: Wo feiert Tori Amos dieses Jahr das Weihnachtsfest? Rufen Sie an unter 03 31/18 18 18.“ Die uninteressante Radioweihnachtsfrage wirft noch weit uninteressantere Folgefragen auf. Zum einen: Warum wollen die das wissen? Zum anderen: Weshalb fragen sie da ihre Hörer – als Radiosender hat man doch bestimmt ganz andere Recherchemöglichkeiten. Und zum Dritten: Wer ist überhaupt Tori Amos?

Dann fällt es mir ein – eine bekannte amerikanische Sängerin – und ich mache mich an die Lösung der Aufgabe. Vielleicht kann man ja was gewinnen. Ich nehme mal an, dass Tori Amos zu Hause Weihnachten feiert. Auf ihrer Ranch in Doodaladoo, die ungefähr die doppelte Fläche der Bundesrepublik Deutschland aufweist. Dort ist alles weiß: die Wiesen, die Felder und sogar die Wände. In einer Wahnsinnsküche steht Tori Amos, trägt eine Designerküchenschürze von Guiseppe Gucchi und singt. Sie singt sehr laut und sehr schön, während sie Würstchen mit Kartoffelsalat zubereitet. Den gibt es bei ihr traditionell am Heiligen Abend. Da bevorzugt sie etwas Schlichtes, wie so viele, denn auch Tori Amos ist letztlich ein ganz normaler Mensch.

Drogen im Salat

Was das Rezept allerdings doch ein wenig von den Rezepten anderer normaler Menschen unterscheidet, ist, dass sie eine Menge verschiedener Drogen in den Salat hineinbröselt. Bunte Drogen, lustige Drogen, Drogen, die das Herz auf- und das Hirn zugehen lassen. Da kann man dann ignorant und intolerant darüber richten als normaler Mensch, aber man kann es auch einfach mal akzeptieren. Das ist eben so in dieser Gesellschaftsgruppe.

Schließlich erwartet sie nachher Gäste, die alle Musiker sind oder sonst irgendwas mit Kunst und Kreativität am schrägen Hut haben. Die sind den Kartoffelsalat so gewohnt, anders funktionieren sie gar nicht. Das weiß Tori Amos, sie erkennt doch ihre Schweinchen am Gang. Sie möchte, dass sich ihr Weihnachtsbesuch wohlfühlt und ihm nicht irgendein puritanisches Ritual aufzwingen, ohne es im Geringsten ironisch zu brechen.

Gerade ist sie fertig, da klingelt es auch schon. Sie streift schnell die Schürze ab – darunter trägt sie ein silbern glitzerndes enges Kleidchen aus Gold – hastet zur Tür und öffnet. Dort stehen der Gitarrist Bonhurst Mac Zackk und der Schlagzeuger Steve Stevenson von der berühmten Rockband Sliming Faces. Gute Freunde. Auch der Bassist ist da, aber wir wissen nicht, wie er heißt. Wie jeder Bassist wird er nämlich weiter nicht beachtet. „Merry Xmas, fuck you, Tori Bory“, lacht Mac Zackk. Küsschen links, Küsschen rechts, Küsschen Mitte. „Fuck you, merry Xmas, Bory Tori“, lacht Stevenson. Küsschen Mitte, Küsschen rechts, Küsschen links. Alle lachen jetzt. Nur der Bassist steht da und macht einen erwartungsvollen Guppy-Mund, aber er kriegt dennoch kein Küsschen, denn er wird ja nicht beachtet. Endlich gehen sie rein ins Warme, denn in Doodaladoo hat es im Winter hundert Grad unter Null, Fahrenheit, und die Tür schließt sich hinter ihnen. Dann müssen sie doch noch mal kurz öffnen, denn der Bassist klingelt natürlich solange, bis auch er ins Haus darf.

Showdown mit Schießerei

„Who the fuck are you?“, gibt es ein großes Hallo und alle lachen, nur der Bassist grinst gezwungen schief. Bald kommen noch ein paar Bus- und Flugzeugladungen mit Musikern, Malern, Modeschöpfern und dem Weihnachtsmann. Der weiß immer, wo die beste Party steigt. Küsschen, Küsschen, Küsschen und rin in die gute Stube. Dort steht der Weihnachtsbaum, geschmückt mit Marshmellows und Hamburgern. Darunter liegen hübsch verpackt Geschenke: Drogen, Sonnenbrillen und schwanzbemalte Holzeisenbahnen.

Doch zuerst wird gegessen. Whiskey, Würstchen und Kartoffelsalat. Die Stimmung steigt. Eine Schauspielgruppe führt ein Krippenspiel auf. Es gibt einen dezent angedeuteten Dreier zwischen Maria, Joseph und dem Heiligen Geist im Himmelbett sowie als Showdown eine zünftige Schießerei zwischen Ochs, Esel und den heiligen drei Königen. Bruce Willis bekommt dabei den größten Beifall. Später wird es richtig gemütlich. Der Baum brennt lichterloh. In Gruppen sitzen die Gäste beisammen, unterhalten sich leise, kneten kleine Figuren aus Kackwürsten, ballern herum oder ficken ein bisschen. Dazwischen eilt Tori Amos geschäftig hin und her und füllt die Schälchen mit Erdnusslocken auf, der Drogensalat ist längst weg. Sie ist eine gute und aufmerksame Gastgeberin. Zur Bescherung singen alle „Jingle Bells“. Selbst der Bassist brummt unauffällig mit.

So genau habe sie das alles gar nicht wissen wollen, sagt am anderen Ende der Leitung die Frau, die im Sender die Anrufe entgegennimmt: Im Übrigen sei die Antwort falsch.