UNO fordert Abbau von Förderschulen

INKLUSION UN-Ausschuss ermahnt Deutschland, Kinder nicht mehr von Regelschulen fernzuhalten

BERLIN taz | Neuer Rüffel für Deutschlands Schulpolitik: Der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat Deutschland aufgefordert, die Zahl der Sonderschulen abzubauen, um die Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigungen zu erleichtern. Gleichzeitig empfehlen die 18 Fachleute, die dem Ausschuss angehören, Regelschulen umgehend zu verpflichten, Kinder mit Behinderungen aufzunehmen, die diese Schulen besuchen wollen.

Deutschland hatte vor sechs Jahren die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihnen gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen des Lebens zu sichern. Der UN-Ausschuss hatte im März in einer zweitägigen Anhörung geprüft, wie die Konvention in Deutschland umgesetzt wird. Nun veröffentlichte er seinen Prüfungsbericht. Besorgt nehmen die Experten von vier Kontinenten darin zur Kenntnis, dass die Konvention je nach Bundesland unterschiedlich ausgelegt und umgesetzt wird.

Die föderale Zersplitterung zeigt sich exemplarisch im Bereich Bildung. Während in den Stadtstaaten und in Schleswig-Holstein die Mehrheit der Schüler mit Förderbedarf an Regelschulen unterrichtet wird, besuchen in Bayern und Sachsen-Anhalt drei Viertel der Kinder mit Förderbedarf noch Sonderschulen. Bundesweit gehen derzeit über 350.000 von knapp 500.000 Schülern mit Förderbedarf in separate Schulen. Seit Inkrafttreten der Konvention ist die Zahl solcher sogenannter Förderschulen, bei denen benachteiligte Kinder oft unter sich bleiben, kaum gesunken.

Jetzt legt endlich los

Die UN-Fachleute appellieren an Deutschland, unverzüglich eine Strategie mit Maßnahmen, Zielen und einem verbindlichen Zeitplan zu erarbeiten, um bundesweit Schülern den Zugang zu inklusiven Schulen zu ermöglichen. Außerdem soll Deutschland sicherstellen, dass alle Lehrer darin ausgebildet werden, Schüler mit und ohne Behinderungen in einem Klassenraum zu unterrichten.

Zwar hatten sich die Kultusminister der Länder 2012 darauf geeinigt, dass alle Lehramtsstudenten auch Basisqualifikationen für inklusiven Unterricht erwerben sollen. Passiert ist seitdem wenig. Das zeigt der jüngst veröffentlichte Monitor Lehrerbildung, der von privaten Stiftungen und Verbänden finanziert wird. Demnach ist Inklusion zwar überall ein Thema – aber in den wenigsten Ländern verbindlich in den Lehrplänen der Unis verankert. ANNA LEHMANN