Stratege mit Stallgeruch

Morgen wird er sein Team, das mit ihm am 16. November zur Wahl steht, offiziell vorstellen: Finn Oke Göttlich heißt der designierte Präsident des FC St. Pauli, der – gerade mal 38 – der jüngste Vereinsboss im deutschen Profifußball werden könnte.

Als der Aufsichtsrat Göttlich im Juli nominiere, löste das Irritationen aus – gilt doch das amtierende Präsidium um Stefan Orth als erfolgreich. Orth aber haftet vereinsintern das Image eines in seiner Kommunikation nicht immer geschickt agierenden Frühstücksdirektors an.

Göttlich dagegen eilt der Ruf einer führungsstarken, kommunikativen und teamfähigen Persönlichkeit voraus. Angesichts zunehmender Kommerzialisierung und der Ausgliederung von Profiabteilungen aus den Vereinen, sieht der Aufsichtsrat in ihm den Mann, der das Profil und das Wertesystem des FC St. Pauli weiter schärfen könnte, ohne die wirtschaftlichen Erfordernisse aus dem Blick zu verlieren. Gilt ihnen Orth als solider Verwalter der unter seinem Vorgänger eingeleiteten Sanierung des Clubs, sehen die Räte bei Göttlich strategische Kompetenzen, mit denen er Antworten auf die Fragen der Zukunft finden soll.

Seit Jahren ist Göttlich im Verein aktiv, ohne sich in die erste Reihe gedrängt zu haben. Neben dem Stallgeruch bewertet der Aufsichtsrat vor allem Göttlichs Karriere als Blaupause für die angestrebte Entwicklung des Clubs: Vor zehn Jahren gründete er die Firma Finetunes, um kleinen Independent-Musiklabels annehmbare digitale Vertriebsmöglichkeiten abseits der großen Player zu sichern. Daraus wurde ein weltweit tätiges Unternehmen mit Millionen-Umsatz und Filialen in Berlin, London, Paris und den USA.

Noch hat Göttlich sein Programm nicht vorgelegt, doch wer den früheren taz-Redakteur kennt, weiß, dass es ihm darum gehen wird, die auch am Millerntor oft in Hinterzimmern ausgehandelten Entscheidungen – etwa bei der Trainerauswahl – durch transparente Prozesse mit klaren Verantwortlichkeiten zu ersetzen. Ein weiteres Augenmerk dürfte auf der Nachwuchsarbeit liegen. So will der Sportwissenschaftler die seit Jahren avisierte Vergrößerung des Trainingszentrums an der Kollaustraße voranbringen, um auch den Nachwuchsteams professionellere Bedingungen zu bieten.

Dass Göttlichs fünfköpfigem Team keine Frau angehört, ist im Verein vielen sauer aufgestoßen. Dem designierten Präsidenten war das bewusst: Zwei Kandidatinnen hatte Göttlich im Blick, doch beide sprangen ab, sodass das fünfköpfige Präsidium erneut frauenfreie Zone ist. Nun gilt es, die Strukturen so zu ändern, dass sich das nicht wiederholt.  MAC