Manchmal wie eine Spitzenmannschaft

BUNDESLIGA Von der Konkurrenz kaum bemerkt, hat sich der VfL Wolfsburg an die Tabellenführung herangespielt. Nach dem 4:0 beim VfB Stuttgart lassen sich die Ambitionen aber nicht mehr verheimlichen

Man jage Tore, nicht Bayern, sagt Wolfsburgs Sportchef Klaus Allofs

AUS STUTTGART TOBIAS SCHÄCHTER

Der Fußballtrainer Armin Veh blickte dann noch einmal hoch auf den Fernseher, wo die Tabelle seinen VfB Stuttgart nach zehn Spieltagen auf Rang 15 auswies und den VfL Wolfsburg auf Platz zwei. Für ein paar Stunden war der VfL nach dem 4:0 in Stuttgart dem Tabellenführer aus München ja tatsächlich bis auf ein Pünktchen auf die Pelle gerückt.

Veh schaute schließlich grinsend zu seinem Wolfsburger Kollegen Dieter Hecking hinüber und sagte: „Ich wünsch dir, dass du da oben bleibst.“ Nach einer kleinen Kunstpause fügte er mit einem noch breiteren Grinsen hinzu: „Du hast ja lange genug da unten rumgekrebst.“ Hecking, einst bei Hannover 96 und dem 1. FC Nürnberg vorwiegend im unteren Tabellendrittel zu Hause, musste dann auch lachen.

An diesem Tag wollte Hecking ohnehin nach nichts Schlechtem Ausschau halten. Das sei nach einem 4:0 Auswärtssieg ja dann doch Jammern auf hohem Niveau, meinte der Wolfsburg-Trainer. Ein bisschen heimlich, zumindest von niemand erwartet, hat sich der VfL plötzlich als erster Verfolger der Bayern in der Bundesliga positioniert.

Zu Beginn der Saison waren aus Wolfsburg ja eher negative Geschichten zu hören. Die Integration der WM-Fahrer hatte sich schwierig gestaltet. Der in Stuttgart noch überragende Torwart David Benaglio hatte in Wolfsburg mit einer Virusinfektion zu kämpfen, und überhaupt stimmten die Ergebnisse nicht. Nun aber ist der VfL nach fünf Siegen in Serie stabil unterwegs.

Hecking ist gerade dabei, zu zeigen, dass er mit großen Möglichkeiten auch Nachhaltiges bauen kann. In den Transferperioden der letzten Jahre haben die Wolfsburger den Markt nicht gerade mit viel Geld für viele Spieler geflutet wie noch zu Zeiten von Felix Magath. Zuletzt aber haben sie mit viel Geld wenige Spieler geholt, die in die Mannschaft passen, und sich auftuende Lücken stopfen können.

Das Ergebnis ist nun ein Kader, der auch in der Breite gewappnet scheint für die Dreifachbelastung in Europa League, dem DFB-Pokal und der Meisterschaft.

Vieirinha, Hunt, Dost, Träsch, Malanda, Arnold – beim Verlesen der Namen der Wolfsburger Auswechselspieler wurde auch Armin Veh die Tiefenstärke des VfL-Ensembles klar: „Nicht schlecht, diese Bank“, witzelte er. Ein Stürmer wie Niklas Bendtner schaffte es sogar nicht in den Kader. „Es ist nun mal so, die Plätze auf der Bank sind begrenzt“, begründete Klaus Allofs, der Geschäftsführer Sport beim VfL, den Tribünenplatz.

Auch Allofs wollte nach diesem Erfolg kein Haar in der Siegessuppe suchen, obwohl er eines gefunden hätte, vielleicht sogar ein Büschel. Es war nämlich zumindest eine Halbzeit lang auch für diesen VfB relativ einfach, Chancen gegen den VfL herauszuspielen: Statt 2:0 für den VfL hätte es nach 45 Minuten durchaus auch 3:2 für den VfB stehen können. Doch Wolfsburg zeichnete das aus, was Stuttgart fehlte: Effizienz.

Die Offensive des VfL gehört zum Besten, was die Liga zu bieten hat. De Bruyne als entscheidender Passgeber, Perisic als Torschütze und Olic als gefährliche Arbeitsbiene und Torjäger sind nur ganz schwer auszurechnen. Und verletzt sich der schnelle Außen Daniel Caligiuri (Muskelverletzung), kommt eben der schnelle Außen Vieirinha.

Nach dem 3:0 blieben die Wolfsburger aufmerksam, es sah dann alles sehr leicht aus. „War es aber nicht“, sagt Klaus Allofs. Vielmehr sei es ja die Kunst, es leicht aussehen zu lassen, so Allofs. Dies Klasse hat diese Wolfsburger Künstlervereinigung. Die Ambition, Champions League zu spielen, hat dieser VfL. Offiziell erst mittelfristig, behauptet Allofs. Zunächst wolle man die Europapokalteilnahme bestätigen.

Immerhin gibt er zu, manchmal spiele dieser VfL schon wie eine Spitzenmannschaft. Den Titel des offiziellen Bayern-Jägers will er aber nicht annehmen. Man jage Tore, nicht die Bayern!

Aber Allofs ist selbst gespannt, wo die Grenzen dieser Mannschaft tatsächlich liegen. Im Zweifel eher weiter oben als ein bisschen tiefer.