Zigeunerschnitzel muss nicht sein

SPRACHGEFÜHLE taz-Autor Tibor Racz erzählt in der Gedöns-taz, warum er stolz ist, ein Zigeuner zu sein, und warum man das auch einfach sagen kann. taz-LeserInnen finden das in Ordnung, bemerken aber, dass es darauf ankommt, wer es sagt und wie es gemeint ist

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz v. 15. 4. 15

Vielen Dank für die Richtigstellung! Der politisch korrekte Sprachgebrauch ist keine Garantie, dass der Sprecher nicht welt-, fremdenfeindliche oder gar rassistische Vorurteile hegt und an den Tag legt. Der „richtige“ Ausdruck gibt ein gutes Gewissen und das trügerische Gefühl, auf der Seite der Guten zu stehen. Am Ende verdeckt die ständige Debatte um Namen oder Bezeichnungen die Wirklichkeit der Diskriminierungen, mit denen wir uns eigentlich auseinandersetzen müssten. Meines Erachtens gilt das Gleiche auch für die Verwendung des verpönten Wortes „Neger“. Ich arbeite als Übersetzerin vor allem von transkultureller Literatur.

BEATE THILL, Freiburg

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Man muss anderen Bevölkerungsgruppen nicht helfen, man muss sie nur anders nennen. Und schon ist das schlechte Gewissen weg und der Rassismus natürlich auch …

DER PACKER, taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Mittlerweile wendet das Blatt sich ja schon wieder. Es gibt nicht nur Zigeuner, die als solche genannt werden wollen (wie der Autor selbst), sondern zunehmend auch Schwarze, die sich rappend gegenseitig so bezeichnen („Hi, Nigger, how r u …?“). Mit der Vergewaltigung von Sprache sollte endlich Schluss sein. Wenn wir aufgrund des Missbrauchs der Bezeichnung „Zigeuner“ durch die Nazis diesen heute nicht mehr benutzen, verhelfen wir damit den Nazis zu einem späten Sieg. Das sollten wir lieber vermeiden.

DORIANXCK, taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Vielleicht dringt es ja auch bald zu den Letzten durch, dazu ist der Artikel eine gute Hilfe: Das Wort „Zigeuner“ hat nichts Erniedrigendes an sich, die etymologische Herkunft ist vollkommen unbekannt. Die Inuit wurden früher Eskimos genannt (oder nannten sich gar selber so?), übersetzt heißt das Rohfleischesser, darauf wollten die Inuit nicht länger reduziert werden, irgendwo nachvollziehbar. Bei der Bezeichnung Zigeuner lässt sich eine solche Negativkonnotation nicht etymologisch herleiten. Oft genannte Begründung, warum Zigeuner nun negativ sein sollte: Es würde als Schimpfwort gebraucht. Auch „Jude“ wurde und wird von Antisemiten negativ gebraucht, aber den Juden fiel es deswegen nicht ein, sich umzubenennen, warum auch? Die offizielle Bezeichnung der entsprechenden Sprach- und Kulturwissenschaft heißt auch immer noch Ziganologie, und sehr viele Zigeuner wollen auch so genannt werden, wie der Artikel aufs Neue klarmacht. Die Diskussion ist also überflüssig. INGRID WERNER, taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Wir machen Sozialarbeit in Duisburg-Hochfeld (menschistmensch.de) und haben sehr viel mit Roma zu tun. Zudem haben wir eine Sprachmittlerin aus dem Romanes (= die Zigeunersprache).

Ich kann den Beitrag voll bestätigen. Alle unserer Kunden bezeichnen sich als Zigeuner (wenn gefragt). Ich denk mal, es ist so eine Sache wie „Jude“. Das war auch mal ein Schimpfwort. Aber kein akademischer Zirkel in Deutschland würde das Wort auf den Index stellen. Da ist die Angst vor New York Times etc. doch zu groß.

MARTIN REDIES, taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Es ist doch eigentlich nicht so schwer.

1. Eigenbezeichnung ist eben nicht gleich Fremdbezeichnung. Wenn ich von mir selber sage, dass ich eine Schwuchtel, Schlampe oder fett bin, dann kann ich das machen. Im besten Fall führt es dazu, dass das Wort „reclaimt“ wird und seine negative Konnotation verliert.

Nur weil ich selber sage, dass ich x bin, heißt es aber noch lange nicht, dass es okay ist, wenn andere x zu mir oder über mich sagen.

2. Klar, wenn ich etwas Diskriminierendes sagen will, dann macht es nicht unbedingt einen Unterschied, ob ich sage „Alle Roma und Sinti machen (Vorurteil)“ oder „Alle Z“ machen (Vorurteil)“. Keine Frage. Aber wenn sich mein Denken möglicherweise schon geändert hat, dann macht es – auch für den Hörer, der sich, wenn ich die rassistische Bezeichnung verwende, in seinem Rassismus bestätigt sieht – sehr wohl einen Unterschied, ob ich sage „Mein neuer Nachbar ist Rom“ oder „Mein neuer Nachbar ist Zigeuner“. VÖGLEIN, taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Ist doch ganz einfach. Wer sich Zigeuner nennen will, darf und soll das tun, wie er möchte. Wer andere aber pauschal als Zigeuner anspricht, redet als Rassist. Der Begriff „Roma und Sinti“ wurde nicht umsonst eingeführt.

Ich persönlich kenne besonders in Rumänien viele Menschen, die ich, ohne sie damit zu verletzen, im direkten Gespräch als Zigeuner anspreche und so nenne, weil wir uns zum einen lange kennen und mögen und sie sich auch selbst ausschließlich so nennen. Sobald ich allerdings über sie rede, egal wo, verwende ich die Bezeichnung „Roma“. Das hat für mich auch etwas mit Respekt zu tun.

Übrigens, dieselben Roma werden dort in der Öffentlichkeit, zum Beispiel auch in der Schule, als Zigeuner „beschimpft“. Und das tut ihnen dann sehr wohl auch weh.

Das Zigeunerschnitzel muss nicht sein und gehört abgeschafft. Wem es leidtut, das jetzt „Balkanschnitzel“ nennen zu müssen, den beglückwünsche ich zu seinen Problemen.

Schade, dass in den letzten Jahren häufiger gemischte Signale von Roma und Sinti zu dem Thema in die Zeitungen kommen. DANIEL K., taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

@Daniel K. Das ist Unsinn. Es gibt etliche Zigeunergruppen, die sich weder als Roma noch als Sinti begreifen, warum soll man die so nennen? Zigeuner ist ein wertfreier Begriff.

LAURENZ KAMBRÜCK, taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Ich traf auch schon viele, die sich „Zigeuner“ nannten.

Es hatte etwas Freieres, Souveräneres an sich als das bürokratische Ja-nicht-weh-tu-Etikett „Sinti und Roma“ – besonders wenn die Betreffenden gerade nicht einer der beiden sein wollten, was durchaus mal gegenseitig vorkam. IOANNIS, taz.de

■ betr.: „Ich, Zigeuner“, taz.de vom 15. 4. 15

Welch ein kluger und gut geschriebener Artikel!!! Wieso ist der Mann nur Praktikant??? Sofort einstellen!

HUNTER, taz.de