Im Land des Nutzens

DESIGN VON NEBENAN Akiko Probst vereint traditionelle Muster und minimalistische Designs. Dabei geht es der Designerin nicht nur ums Geschäft – sie will den Hamburgern die japanische Kultur näherbringen

Die Deutschen fragen immer zuerst: „Wozu ist das gut? Wozu kann man das benutzen?“

VON ANNIKA LASARZIK

Elegant und verspielt, nüchtern und romantisch: Bei der Designerin Akiko Probst ist diese Kombination scheinbar widersprüchlicher Attribute die Regel. Das Innere ihres Ladens „Akiko“ in der Hamburger Neustadt könnte selbst einem Design-Katalog entspringen – und ist trotzdem urgemütlich. Die weißen Altbauwände mit Stuckverzierung und das schlichte Mobiliar bieten viel Raum für ihre detailreichen Kreationen: Taschen, Kissen, Etuis oder Buchhüllen liegen aufgereiht auf langen Holztischen.

Fast alle Produkte sind in traditionell japanischen Mustern gehalten und greifen typische Motive auf: Kirschblüten, Libellen, Blumenornamente finden sich überall wieder und werden zuweilen auch kombiniert. Dass das alles nicht überladen oder gar kitschig daherkommt, ist wohl Probsts besonderem Sinn für Ästhetik zu verdanken. „Schon meine Mutter hat für uns Kinder eigene Kleider entworfen und genäht, ich habe mich immer für Design interessiert“, sagt die 38-Jährige, die in Kyoto in einem buddhistischen Tempel aufgewachsen ist.

Dass Akiko Probst nun japanische Designkultur ausgerechnet nach Hamburg bringt, ist auch ihrem Heimweh geschuldet. „Ich vermisse Japan sehr und wollte mir einfach ein Stück Heimat nach Hamburg holen“, sagt sie. Während eines Studienaustausches lernt die Japanerin ihren Mann kennen, einen deutschen Journalisten, dem sie nach Hamburg folgt. Ein Jahr nach der Geburt des ersten Kindes wagt die junge Mutter den Schritt in die Selbstständigkeit.

Seit elf Jahren führt sie ihren Laden nun in Eigenregie. „Manchmal fühle ich mich schon wie ein Arbeitssklave“, sagt sie, aber mit einem sehr herzlichen Lachen. Viel zu tun gibt es bei „Akiko“ für Probst und ihre vier Angestellten schließlich immer. Ob es darum geht, Stoffe auszusuchen, zu nähen oder Kunden zu betreuen, die quirlige Ladengründerin kümmert sich um alles. Dabei ist es ihr trotzdem wichtig, immer wieder, ein wenig Ruhe in den Alltag zu bringen: Etwa bei einer Tasse grünen Tees, die sie an ihrem schmalen Nähtisch zwischen Ladentheke und Nähzimmer serviert. Getrunken wird aus filigranen Porzellantassen mit dezenten Verzierungen – ganz im Stil von „Akiko“ eben.

Die Stoffe, die Probst für ihre Designs verwendet, werden nach traditioneller Art in japanischen Manufakturen gefertigt, ihre Hersteller hat die Designerin in Kyoto selbst ausgesucht. „So etwas gibt es nicht in Deutschland, sieh mal“, sagt sie und lässt eine seidige Stoffbahn durch ihre Finger gleiten. Auch das „Yuzen-Papier“ importiert Probst aus Japan, dort wird es aus der Rinde von Maulbeerbäumen handgeschöpft. Ihre Schwester lebt in Kyoto, kümmert sich um Versand und Verzollung und kauft auch Möbelaccessoires vor Ort ein. So hat sich das Sortiment bei „Akiko“ mit den Jahren erweitert. Auch Teetassen, Holzschatullen oder Kleidungsstücke nach japanischer Art gehören heute zum Angebot. Letztere importiert Probst allerdings nicht aus Japan: „Das habe ich einmal versucht, aber die japanischen Größen sind einfach viel zu klein für deutsche Frauen“, sagt Probst. Nun schneidert sie Hemden, Blusen oder Röcke auf Wunsch ihrer Kunden einfach selbst.

Was die Kundschaft anbelangt, kommen laut Probst „zu 80 Prozent Frauen“ in den Laden, vor allem Bastlerinnen jeden Alters. Besonders Japan-Affine stellten eher die Ausnahme dar. Eine Besonderheit ihrer deutschen Kunden jedoch, sagt Probst: „Die erste Frage lautet meistens ‚Wozu ist das gut? Wozu kann man das benutzen?‘“ Sie weitet die Augen und hebt die Hände in die Luft. Die Frage nach dem praktischen Wert, der Funktionalität eines Produkts begegne ihr in Deutschland ständig. „Ich achte schon darauf, dass etwa das Geschirr spülmaschinenfest ist, aber um so etwas geht es mir gar nicht in erster Linie.“ Sie zeigt auf einen Tassenuntersetzer im Patchwork-Muster. „Dinge können doch einfach schön aussehen, einen Raum aufwerten und gefallen. Ist das etwa keine Funktion?“

Seit sieben Jahren betreibt Akiko Probst auch einen Online-Shop. Diente die Homepage zunächst nur der Werbung, so ist der Online-Versand heute ein wichtiges Standbein für die Designerin geworden. Angenehmer Nebeneffekt: „Ich bekomme ein direktes Feedback von den Kunden, die mir ihre Wünsche mitteilen oder sich auch mal beschweren, weil ein Produkt schon wieder ausverkauft ist. Was natürlich ein Kompliment ist“, sagt Probst und lächelt. Kommunikation ist für die Designerin ohnehin ein Teil der Arbeit, den sie besonders schätzt: „Mir geht es nicht nur um Verkauf und Handel, ich möchte den Kunden die japanische Kultur auf verschiedene Weise näherbringen“, sagt sie.

In Youtube-Videos demonstriert sie die Kunst des Origami-Faltens, lädt regelmäßig zu Workshops in den Laden und kommt so nebenbei mit den Kunden ins Gespräch. Bald will Probst selbst gestaltete Flyer mit japanischen Kochrezepten an ihre Kunden verteilen. „Arbeit muss doch vor allem Spaß machen. Und Handarbeit hat so etwas Beruhigendes, Meditatives. Es macht einfach glücklich“, sagt Probst und wirkt dabei so entspannt, dass man ihr sofort glauben möchte.

Akiko, Wexstraße 39, Hamburg. Di bis Fr 11 bis 19, Sa 11 bis 15 Uhr