Wladimir Putins neue Außenstelle

LANDESKUNDE In Berlin eröffnet die Stiftung Russkij Mir ein Zentrum. Hier sollen die russische Sprache und Kultur gepflegt und das Verhältnis zu den Deutschen soll verbessert werden

BERLIN taz | „Wenn ihr Lust habt und auch Zeit, wäre bald Gelegenheit für ein Treffen von uns allen, würde euch das auch gefallen? Ich fände das schön, euch mal hier zu sehn.“ Der kleine Vortragende ist ganz aufgeregt. Er und Dutzende anderer Kinder sind aus der deutsch-russischen Kita „Blumenstadt“ von nebenan in die gerade renovierte Villa Steglitz im Selerweg 17 gekommen. Am Mittwoch wurde dort ein russisches Zentrum eröffnet.

Der Kaminraum mit einem nagelneuen Blüthnerflügel im Zentrum ist sonnendurchflutet und bis auf den letzten Platz besetzt. Der vierjährige Junge ist als Samowar verkleidet und darf die vielen wichtigen Gäste auf Deutsch begrüßen. Er schafft es mit Bravour. Tosender Applaus. Dennoch ist die Stimmung angespannt. Russland ist immer Spannung. Ein Pianist mit Weltname wird angekündigt. Er wird uns Srkjabin vorspielen, sagt der Conferencier. Der Übersetzer ins Deutsche spricht „von einem Musikstück“. Der Star schaut finster drein ob der ungenauen Angabe. Der Maestro will gerade loslegen, da klingelt ein Handy. Ein Befehl folgt, alle Handys ausschalten. Endlich geht es los. Der Pianist haut in die Tasten, als ob es sein letztes Mal wäre. Eine betagte Dame fasst sich diskret an die Ohren und leidet verkrampft, bis es vorbei ist. Ja, auch leiden gehört dazu.

Die Veranstaltung ist Landeskunde pur. Am russischsten sind die Übersetzungen ins Deutsche. Das neu eröffnete Zentrum ist eine der vielen weltweiten Filialen der Stiftung Russkij Mir, die im Jahr 2007 aufgrund eines Erlasses von Präsident Wladimir Putin zur Pflege der russischen Kultur ins Leben gerufen wurde. Laut Statut ist der Name der Stiftung nicht übersetzbar, weil das Wort „Mir“ im Russischen zwei Bedeutungen hat: Welt und Frieden.

Zum Übersetzen der Begrüßungsansprache des Geschäftsführers der Stiftung kommt ein Extradolmetscher mit einem fertigen Text, der mit der russischen Version wenig zu tun hat. Die Bundestagabgeordnete Ute Finckh-Krämer wird aus Zeitmangel gar nicht übersetzt. Später wird sie erzählen, dass sie zu den wenigen im Bundestag gehört, die bei russischen Veranstaltungen auch das verstehen, was nicht übersetzt wird.

Es wird viel gesprochen an diesem Nachmittag. Die Vorsitzende des Vereins der russischsprachigen Eltern, Mitra, Marina Burd, begrüßt überschwänglich und namentlich die deutschen Gäste – die Vertreter der Linken, der Piraten, der „heute hier anwesenden politischen Elite“. Die Abgeordnete Finckh-Krämer wird wie eine Reliquie herumgeführt, erst zur feierlichen Enthüllung des Namensschildes, dann zur Einweihung der Bibliothek, schließlich zum Buffet.

„Die Russen haben unnachahmliches Talent, jede Kulturveranstaltung zur Parteisitzung zu machen“, bringt es die Kollegin vom russischsprachigen Dienst Funkhaus Europa auf den Punkt. Deutschsprachige Presse glänzt durch Abwesenheit. Darauf angesprochen, empört sich die Organisatorin über die „Ignoranz der Hauptstadtjournalisten“ und zitiert die Pressesprecherin herbei, um zu bestätigen, dass die Einladungen an alle Pressehäuser der Stadt rechtzeitig verschickt wurden. Das wird bejaht. Pech nur, dass die Pressesprecherin eine Viertelstunde zuvor einigen erzählt hat, dass die Presse nicht benachrichtigt wurde. Doch wer will das schon so genau wissen?

Alle schwärmen von „Peter und der Wolf“ als Kindheitserinnerung, den geteilten verfaulten Kartoffeln, die dem Großvater in Gefangenschaft das Leben gerettet haben, dem Samowar als Sinnbild Russlands, Delikatessen, Literatur, Gastfreundschaft. Und der großen Seele. Großem Land. Freude, Friede, Kaviar. Ein bisschen mehr Skrjabin hätte Russland gutgetan. JARINA KAJAFA